Schrei vor Glück!

Zalando ist einer der umsatzstärksten Online-Shops in Deutschland und „Best Practice“ Beispiel für erfolgreichen E-Commerce. 2008 durch Robert Schneider und David Gentz in Berlin gegründet, wurde Zalando vor allem über seine aggressive und schrille Fernsehwerbekampagne bekannt.

Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=hV-UaZjWJww , Zugriff: 20.01.2013

Heute beträgt alleine der Unternehmenswert drei Milliarden Euro. Im Januar 2013 zählt das Unternehmen 3.500 Beschäftigte. Noch zum Ende des Jahres 2012 überzeugte der Online-Versandhändler für Schuhe und Mode wieder einmal mit gewohnt progressivem Marketing: Eine kostenlose Shopping-App mit „Styleshaker“ und Barcode-Scanner. Kaum ein anderes Unternehmen ist in Sachen Strategie und Online-Marketing, auch im steigenden Wettbewerb im Bereich E-Commere, der Konkurrenz so weit voraus. Was nach innovativem Unternehmen schreit und aus Sicht des Online- Shoppers „jung, dynamisch und kreativ“ ist, sieht jedoch hinter den Kulissen etwas anders aus. 2012 geriet Zalando durch eine ZDF-Reportage, die unzureichende Arbeitsbedingungen in einem neuen Logistiklager aufdeckte, in die Kritik. Zalando behandle seine Mitarbeiter zwar im Bereich des Legalen, jedoch menschlich unzumutbar. Essentielle Dinge wie Hygiene würden vernachlässigt werden. Ein Putzmann, der für das Säubern der Toilettencontainer zuständig war, berichtet: „Mit den richtigen Mitteln könnte ich das auch wegmachen“, sagt er. “ „Aber die hat man ihm noch nicht gegeben. So bleibt eben alles, wie es ist: geputzt, aber beschmiert, nicht unmenschlich, aber auch nicht gerade cool.“

Mitarbeiter des Lagers würden kategorisch kontrolliert und der Stundenlohn für Produktionshelfer betrage 7,01 €, was gerade mal dem Mindestlohn für Zeitarbeit entspricht. Stolz verkündet Zalando am 12. Dezember 2012 die Eröffnung des neuen Logistiklagers in Thüringen, dem „größten Kleiderschrank Europas“ mit über 120.000 Quadratmetern Lagerfläche. „Wir sind stolz darauf, dass wir in weniger als einem Jahr ein Logistikzentrum dieser Größenordnung errichten konnten. Die schnelle Umsetzung war nur möglich dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit dem Land Thüringen, der Stadt Erfurt und mithilfe eines extrem engagierten, professionellen Teams“, erklärt Rubin Ritter, zusammen mit den beiden Gründern, Leiter von Zalando. „Der Start in Erfurt ist ein Meilenstein in der Geschichte von Zalando und ein wichtiger Schritt für den nachhaltigen Aufbau unseres Unternehmens.“ Dass er sich so ausufernd beim Land Thüringen bedankt ist unter Umständen auch dessen Subventionierung über 22,5 Millionen Euro zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen geschuldet. Konsequent, laut eines ZDF-Undercover-Mitarbeiters sei, dass rund 40 Mitarbeiter zwischen sieben und neun Tagen auf Kosten des Staates für den Zalando Logistigdienstleister Docdata arbeiten, unbezahlt als Praktikanten. Dort nennt man das „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung.“

http://www.youtube.com/watch?v=NEZmewZwsC4

Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=NEZmewZwsC4 , Zugriff: 20.01.2013

Auf die zunehmende Kritik erklärt Zalando in einer Mitteilung an das ZDF: „Natürlich haben auch wir den Bericht im ZDF-Magazin Zoom verfolgt. Vielen Dank für Euer kritisches Feedback – das ist uns wichtig und trägt dazu bei, dass wir uns immer wieder hinterfragen und verbessern. Wir freuen uns, dass Ihr Euch mit solchen Themen auseinandersetzt und uns in die Verantwortung nehmt. Zalando ist sich seiner Verantwortung für jeden einzelnen Mitarbeiter, egal ob direkt oder indirekt beschäftigt, bewusst. Die Eindrücke der Dokumentation spiegeln aus unserer Sicht nicht die Arbeitsatmosphäre in den Zalando-Standorten wieder. Leider ist uns jedoch bewusst geworden, dass wir auf unsere Dienstleister deutlich mehr Einfluss nehmen müssen. Im Fall von unserem Lager in Großbeeren arbeitet Zalando mit einem Partner zusammen, der größtenteils für das Personal und für die Prozesse im Lager verantwortlich ist. Diesen Partner werden wir stark prüfen und noch regelmäßiger kontrollieren, damit es zu keinen Missständen mehr kommen kann. In Bezug auf die sanitären Anlagen werden sofort Maßnahmen ergriffen. Außerdem werden wir zukünftig noch stärker darauf achten, dass alle unsere Partner die von uns gesetzten Sozialstandards einhalten. Die Mitarbeiter, die Ihr in dem Beitrag gesehen habt, waren alle keine Zalando Mitarbeiter sondern für unseren Dienstleister tätig. Aber wir müssen auch hier für die Angleichung aller Standards Sorge tragen und werden dies auch aktiv tun.“

Versäumnisse werden eingeräumt, deutlich wird jedoch auch, welchem Druck sich Unternehmen im E-Commerce ausgesetzt sehen. Die Schnelllebigkeit des Internets, der ständige Zuwachs neuer Käuferzielgruppen und die große Konkurrenz im Marktsegment drängen Unternehmen dazu, wenn sie denn überleben wollen, die Kosten besonders niedrig  zu halten. Besonders durch das kostenlose Rückgabe- und Versandrecht macht Zalando jährlich millionenschwere Verluste, die irgendwie an anderer Stelle getilgt werden müssen. Unter den geringen Produktionskosten leiden also entweder die Qualität oder im Fall von Zalando eben die Mitarbeiter.

Das E-Commerce-Modell von Zalando erfolgt nach dem Einkaufsmodell, d.h. Waren werden in das eigene Lager gelegt und direkt an den Kunden versendet. Darüber hinaus hat Zalando ein eigen konzipiertes Warenwirtschaftssystem entwickelt, welches die kompletten Arbeits- und Logistikprozesse beinhaltet. Das dieses System gut funktioniert ist offensichtlich, jedoch bringt die direkte Koordination und Zusammenarbeit zwischen Zalando und diversen Händlern wie Dienstleistern auch Verantwortung mit sich. So fallen dann auch Fehler, wie die des Logistikunternehmens Docdata, auf Zalando selbst zurück.

Es wird deutlich, wie sehr es im E-Commerce an Transparenz fehlt. Wie soll der Nutzer und Kunde durchschauen, welche Prozesse sich hinter einer virtuellen Verkaufsplattform verbergen? Diese Lücken gilt es, wenn nicht zu schließen, dann zumindest zu hinterfragen, so bequem Online-Shopping auch sein mag.

Zora

Quellen:

www.stern.de/wirtschaft/news/internethaendler-zalando-am-pranger-1867682.html

www.zalando.de

http://www.zdf.de/ZDFzoom/Zalando-räumt-Versäumnisse-ein-23591516.html

 

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