„Entschuldigung, wie komme ich vom Alexanderplatz zum Bahnhof Zoo?“ „Am besten nehmen Sie die U-Bahn Linie 5 Richtung Hönow, da brauchen Sie etwa 17 Minuten“. Ich bedanke mich recht herzlich und schließe Messenger, den Nachrichtendienst von Facebook. Denn der wegweisende Hinweis kam nicht etwa von einem Passanten, sondern per Textnachricht von einem Chatbot. Eines von vielen Features der Mobilitäts-App Moovit, ein verheißungsvolles Startup aus Israel.
– Moovit in der Analyse bei den Kollegen von Chip
Dort hat man große Pläne: „Ich will ein Imperium errichten, das die Welt verändert“, visioniert Nir Erez, CEO von Moovit. Das klingt ambitioniert für eine App, die einem den schnellsten Weg zum Büro zeigt. Was die Zahlen angeht, ist man jedenfalls jetzt schon ein kleiner Riese. Nachdem Erez 2012 beim Iron Man in Frankfurt die Idee zu Moovit kam, konnte er bei einer ersten Investmentrunde 50 Millionen Dollar einsammeln. Mittlerweile ist das Unternehmen 450 Millionen Dollar schwer und auf dem besten Weg, ein Unicorn zu werden – so nennt man ein mit einer Milliarde Dollar bewertetes Startup. 30 Millionen Menschen nutzen die App bereits weltweit. Damit lässt sie Google Maps – den bisherigen Spitzenreiter – hinter sich. Auch in Deutschland kann man Moovit herunterladen – allerdings ist der Dienst bisher nur in in Baden-Baden, Berlin/Brandenburg, Hamburg, Heidelberg, München und Ulm verfügbar. Dort trifft sie auf reichlich Konkurrenz: Von A nach B lotsen durch den Großstadtdschungel in Berlin zum Beispiel die BVG-App, Öffi und DB, die App der Deutschen Bahn.
Doch das Startup fürchtet die Konkurrenz nicht, im Gegenteil: „Ich schätze Konkurrenz, sei sie groß oder klein. […], aber am Ende bieten wir einfach mehr“, sagt Erez.
Zu den Alleinstellungsmerkmalen gehört zum Beispiel die Einbindung von Crowd-Daten. Das heißt: Jeder Nutzer ist gleichzeitig auch Teil der Funktion der App. Gibt es eine Störung im Gleis, einen Stau, oder einen Unfall, wissen die Leute vor Ort schneller Bescheid als jeder Verkehrsbetrieb, und können App und Nutzer mit brandaktuellen Informationen füttern. Somit funktioniert Moovit auch unabhängig von den Verkehrsbetrieben.
Auch sonst hat man der Konkurrenz einiges voraus, wenn es zum Beispiel um Fußwege geht – wie zwischen Haustür und Bahnsteig. Muss man in den gängigen Nahverkehrs-Apps noch umständlich auf die externe Lösung über Google Maps zurückgreifen, hat Moovit ein Kartensystem mit hervorragender Ortungsfunktion bereits integriert. Dieses zeigt die Blickrichtung an und navigiert per gestrichelter Linie zur nächsten Haltestelle. Währenddessen kann man bequem checken, wann man dort welches Fortbewegungsmittel erwischen kann. Ist der Hintern dann auf einem freien Plätzchen geparkt, lässt sich per Live-Tracking die Fahrt verfolgen und ein Vibrationsalarm bewahrt davor, den Ausstieg zu verpassen.
Alles schön und gut, aber reicht das für das ganz große Imperium?
Nir Erez hat eine Vision. Eine Vision von einer Zukunft, in der man auch sein Taxi mit Moovit bestellt. Oder sein DriveNow-Car. Oder sein selbstfahrendes Auto (Die Marke Tesla realisiert bereits solche Fahrzeuge). Damit fährt man in einen anderen Stadtteil, um mit Freunden einen Kaffee zu trinken. Den Tisch hat man schon während der Fahrt reserviert, auch die Rechnung ist beglichen, bevor man das Fahrzeug wieder verlassen hat.
Per Moovit.
Das ist keine Utopie – warum sonst würde ein Kraftfahrzeughersteller wie BMW große Summen in eine App für den öffentlichen Nahverkehr investieren. „BMW ist sicher nicht bei uns an Bord, weil sie die Leute davon überzeugen den neuen 750iger zu kaufen. Man weiß dort, dass der Verkehr bald einfach völlig anders aussehen wird“, weiß Eren. Fast ungebremst prescht die Technologie nach vorne, nichts scheint unmöglich an der Westküste der USA. Das wird nicht nur den Verkehr umkrempeln, sondern auch alle anderen Bereiche des täglichen Lebens – so viel steht fest.
Und der Datenschutz?
„Wir werden niemals mit den Daten unserer User handeln. Moovit ist komplett anonym. […] Wir wollen gar nicht erst von Geheimdiensten und Behörden angerufen werden, die Nutzerdaten von uns haben wollen.“
Na dann.
von Torfin Hertwig