Dem Meme auf der Spur

Das Internet hat so viel zu bieten, ist so kompliziert und groß, unübersichtlich und verwinkelt – so mag so mancher, der nicht mit dem Medium WWW aufgewachsen ist, sich fühlen, wenn er eben jenes betritt und erkundet. Doch der Drang zur Vereinfachung und die Rückkehr zum Bild als Kommunikationsmedium hat teils obskure Regeln geschaffen!

von Richard Knop

Im Netz ist möglich geworden, was der Mensch schon lange in seiner Geschichte versucht hat: Durch Bilder, Skulpturen, Fotos und Aufnahmen hat unsere Spezies seit je her danach gestrebt, dass interagieren miteinander möglichst zu erweitern. Worte, Gesten und Mimik sind oft nicht genug, um speziellere Dinge mitzuteilen. Ein Gefühl lässt sich manchmal besser durch Bilder, ein Geschehnis durch einen Mitschnitt, eine Pointe mit einem Ton, komplimentieren als es durch die uns in der „normalen“ Kommunikation vorgegebene Limitierung auf Sprache und Symbolik zu tun vermag. Das Internet schließlich gibt uns die Möglichkeit einer neuen Art der Verständigung, einer grenzenlosen Art der Unterhaltung. Bilder, Smileys und Videos sind einfach in einen Chat einzubinden, einen Link zu einer Quelle kann ich mitsenden. Wir sind auf das Wort noch nie so wenig angewiesen gewesen wie jetzt, es dient nicht mehr als Hauptinformationsträger, sondern vielmehr als Verbindungsstück zwischen den einzelnen Additionen. Dies mag nicht für jede Unterhaltung im Netz gelten, wohl aber für die soziale Komponente der Bilderkommentare, Videopräsentationen und Spiele-Apps.

Eine der wohl gleichzeitig üblichsten und dennoch außerhalb des Netzes unbekannteste Form dieser Entwicklung ist das sogenannte „Meme“ – ein englisches Wort, dessen deutsches Äquivalent „Mem“ praktisch gesehen keinen Gebrauch in den Sphären des Internets hat. Ein Meme ist die Kombination eines Bildes mit einem Wort, einer Wortgruppe oder einem Satz, die zusammengenommen eine Aussage hergeben, die oft das reine Bild ergänzt, überraschend umdeutet oder ihm sogar völlig gegenteilig ist. Memes sind dabei zwar humoristischer Natur, sind aber fester Bestandteil der Gesprächskultur im Internet geworden und haben es Teils sogar in die Kommunikation außerhalb des Webs geschafft. Warum ist das so?

Das Bild ist in der Historie des Menschen immer von besonderem Wert gewesen. Als Farben und Papier noch nicht erfunden oder zumindest gebräuchlich waren, stellte die Skulptur und Bildhauerei im allgemeinen das Äquivalent zum heutigen Foto dar und war aufgrund der verbundenen Materialkosten sowie auch dem Aufwand bei der Herstellung selbstredend ein Luxusgut. Aus diesen Gründen war es den bedeutenden und reichen exklusiv Persönlichkeiten der vergangenen Epochen vergönnt, ihr Bild der Nachwelt zu erhalten. Die Malerei änderte dies grundsätzlich nicht, noch immer erforderte es Fachkenntnis und Geschick, ein Bild mit Aussage zu gestalten. Erst mit dem Foto bekam auch der „normale“ Mensch das Mittel, selbst Bilder zu erzeugen – dabei ist der Fotoapparat eine äußerst moderne Erfindung, die erst nach dem zweiten Weltkrieg tatsächlich zu einem gewöhnlichen Haushaltsgerät wurde. Ab hier verloren Bilderzeugnisse zunehmen ihren Nimbus des Elitären – bis zu dem Moment, an welchem sie zu einer normalen Darstellungsform wurden.

Das Internet verband ab dem neuen Jahrtausend die Möglichkeit, Bilder zu produzieren, mit der neu erworbenen Fähigkeit, sie auch zu teilen und zu multiplizieren. Digitale visuelle Darstellung traf nun schließlich das Grundbedürfnis des Menschen, der ein visuelles Wesen ist. Unsere Wahrnehmung läuft zu circa 80 Prozent über die Aufnahme von Licht und Farben ab – ist es verwunderlich, dass wir unterbewusst danach streben, Kommunikation über das Bild neu zu definieren? 1 Dieser Schritt ist jedoch revolutionär, denn bisher waren Sprachforscher davon ausgegangen, dass die Bildersprache ineffizient und zu interpretationsabhängig ist. Tatsächlich hatten sie recht, dennoch hält dies die Entwicklung nicht auf. Der Engländer würde sagen, es ist „convenient“, was wohl am ehesten mit „praktisch“ und „simpel“ übersetzt werden könnte. Denn obwohl das Meme grundsätzlich eine klare Aussage hat, beruht diese nicht auf einer eindeutigen Interpretierbarkeit, sondern vielmehr auf einer mehrheitlichen Übereinkunft. Und so bietet die praktische Anwendung von Memes gerade für unerfahrene Nutzer Fehlerquellen!

Das sogenannte „Success Kid“ ist hierfür ein gutes Beispiel. Das Bild als solches ist auf viele Arten interpretierbar, was seine Herkunft schon zeigt: Zu Beginn wurde das Bild des Kindes mit der geballten Faust oft in Zusammenhang mit „Fuck Sandcastles!“ [nicht-vulgäre Übersetzung: Ich hasse Sandburgen!] gezeigt und oft auch mit anderen aggressiven oder drohenden Unterschriften versehen 2. Schließlich wurde das Bild aber einem anderen Zweck zugeführt, es wurde das „Erfolg-Kind“. Wer das „Success Kid“ nun mit einem aggressiven Spruch „postet“ (im Internet veröffentlicht), wird sich selbst als Outsider darstellen. Doch gerade für das werben sind solche Bilder mit einer der Zielgruppe bekannten Botschaft sehr hilfreich, so auch das Success-Kid in der sehr erfolgreichen Werbereihe von Virgin zeigt. Success-Kid

Besonders fatal wirkt sich das aus, wenn Memes in Werbung falsch eingebunden werden. Der Werbende macht sich damit im Internet schnell zum Gesprächsthema, Spott und Hohn sind das Resultat. Memes sind ähnlich wie Slangs und Dialekte Codes, die eine Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppierungen signalisieren. Wer sie falsch einsetzt, beleidigt und provoziert damit jene, die sich der entsprechenden Gruppe zuordnen – für Werbung ein „Worst Case-Szenario“.

Daher gilt: Memes können gerade bei jungen Zielgruppen in Werbung eingesetzt werden. Dabei sollte das Meme und dessen Aussage aber gut recherchiert sein. Auch sollten Memes nur sehr sparsam eingesetzt werden. Der große Flop der „Grab it by the horns“ Vitamin Drink-Werbung zeigt: Inflationärer Gebrauch wird von der Internet-Community nicht gut aufgenommen3.

  1. http://dasgehirn.info/wahrnehmen/sehen  
  2. http://knowyourmeme.com/memes/success-kid-i-hate-sandcastles  
  3. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=j8snElRGgKA, Zugriff 21.7.2014.  

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