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Wir alle haben uns an die Privilegien des 21. Jahrhunderts längst gewöhnt und würden sie nicht wieder hergeben. Man stelle sich einmal vor: Morgen würden Facebook, Google und Co. abgeschaltet und die Menschen müssten sich wieder verabreden um sich zu treffen und Bücher zu lesen, um Dinge zu erfahren. Nein, diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei! Zwar sind uns die früheren Möglichkeiten geblieben, aber es gibt weitaus komfortablere Wege nach Rom.

von Dore Ghaemi

Nachdem allerdings vergangenen Sommer die Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden publik gemacht wurden, sind besagte Internet-Dienste in Verruf geraten und das allgemeine Vertrauen der Bürger hat gelitten. Damals berichtete der Guardian1 von dem „direkten Zugang zu den Systemen von Google, Facebook, Apple und anderen US- Internet-Giganten“, den die National Security Agency (NSA) durch das Programm Prism erlangt hat. In der 41 Seiten langen Präsentation zu dem Programm Prism, die dem Guardian zugespielt wurde und die als Grundlage für die Enthüllungen dient, wird behauptet die Konzerne wüssten von der Ausspähung und assistierten dieser sogar. Die Konzerne wiesen diese Vorwürfe jedoch zurück. Warum der Geheimdienst in dieser internen Präsentation über die Beteiligung der Großkonzerne gelogen haben soll, bleibt offen. Schon vor diesen Enthüllungen war uns klar, dass Konzerne wie Amazon und Facebook unser Nutzerverhalten analysieren, um uns passende Produkte über Werbung anzubieten. Aber dass diese Daten an einer Knotenstelle gebündelt werden und ein komplexes Bild unserer Person, quasi die Geschichte unseres Lebens aufzeigen, das war neu. 2. Zunächst war stets die Rede von „Metadaten“ und dass nur diese gespeichert werden. Die verharmloste Begrifflichkeit suggeriert eine Art „das-ist-schon-ok-Gefühl“, denn es sind ja nur „Metadaten“. „Ich habe ja nichts zu verbergen“ war im Volksmund oft zu hören. Was genau die Auswertung von Metadaten bedeutet kann jeder nun an sich selbst testen. Forscher des Massachusetts Institute of Technology haben ein Projekt namens Immersion ins Leben gerufen, das verdeutlicht wie die Daten verwendet werden um menschliche Beziehungen offenzulegen.

Bei Facebook spricht man nicht mehr nur von der Auswertung irgendwelcher Metadaten, es geht um alle Inhalte. Die gesamte Selbstinszenierung eines Facebook Nutzers, auch seine Nachrichten, Posts und Likes, zusammen mit seinem Youtube-Account und seiner Suchgeschichte bei Google und vielen anderen Quellen zeigen einen Menschen ziemlich genau so, wie er ist. Nicht nur wie er sich nach Außen hin gibt, sondern wie er ist, wie ihn eigentlich keiner kennt. So können Personen ähnlich behandelt werden wie Aktien und beispielsweise in Risikokategorien eingestuft werden.

Die Brisanz dieser Tatsachen ist vielen Internetnutzern noch immer nicht bewusst. Leichtsinnig werden belastende Fotos hochgeladen oder dümmliche Kommentare gepostet. Auch unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt: „Die Bürgerinnen und Bürger müssen lernen und werden lernen, mit völlig neuen Möglichkeiten von sozialen Netzwerken und ähnlichem umzugehen (…) Sie müssen für sich entscheiden lernen, was möchte ich preisgeben und was möchte ich nicht preisgeben3.“ Allerdings sind die meisten User noch weit davon entfernt das zu verinnerlichen und von einem immer jünger werdenden Internetnutzer kann keiner erwarten das ihm das adequate „Facebook-Know-How“ mit in die Wiege gelegt worden ist. Und so wächst dieses Internet, dass nie vergisst und mit ihm eine neue Generation an gläsernen Bürgern. Man verschärfe für einen Moment die Sachlage und stelle sich vor: Eine neue Regierung kommt an die Macht – die Gesetze ändern sich. Laszives Posing und „Duck-Face“ werden strafrechtlich relevant und Facebook dient als Fahndungsbuch. Beruhigend ist es nicht gerade, dass unsere Bundeskanzlerin uns mahnt: „Wir sollten lernen, was wir preisgeben und was nicht.“ Beinahe könnte man diesen Satz mit einer Drohung verwechseln. Wieso sagt Sie nicht: „Ihr könnt für Eurer Nutzerverhalten nicht rechtlich belangt werden“? Das oben angeführte „das-ist-schon-ok-Gefühl“ müssen wir ablegen und uns der Dimension dieser Bedrohung richtig bewusst werden. Jeder Bürger, der leichtfertig sagt er habe nichts zu verbergen, lügt! Jeder Mensch hat etwas zu verbergen. Oder wäre es einem wirklich egal wenn der Nachbar wüsste das man beispielsweise „Was tun gegen Brustbildung beim Mann“ gegoogelt hat?4

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Mark Zuckerberg mal zum Hörer greifen würde, um dem Amerikanischen Präsidenten seine Kritik an dessen unzureichender Geheimdienstreform teilhaben zu lassen? 5. Sicherlich nicht Herr Zuckerberg selbst, als er sich vor 10 Jahren in seinem Studentenwohnheim in das Netzwerk der Harvard University einhackte um die Bilddaten seiner Kommilitoninnen für „Facemash“ zu stehlen. Ja, der selbe Mark Zuckerberg, der kurz darauf Facebook gründete, dem damals Werbung als Einnahmequelle zu „uncool“ war und der deshalb andere Wege des Geld-Machens für sich und seine Seite erschließen musste, wurde vergangenen Freitag zusammen mit Leitern anderer US-Internet-Giganten von US-Präsident Barack Obama ins Weise Haus geladen. Dort wollte Obama die Wogen nach dem NSA Skandal glätten und versuchte die Internet-Herrscher von seiner Geheimdienstreform zu überzeugen.  Nach dem Treffen kritisierte Zuckerberg: „Die Regierung hat zwar hilfreiche Schritte unternommen, um die Überwachungsaktivitäten zu reformieren. Diese sind aber einfach nicht genug.“  Weiter postet Zuckerberg auf seiner Facebook Pinnwand „Die US-Regierung sollte ein Verteidiger des Internets sein und keine Bedrohung6.“ Ein wahrer Trost, dass im Kampf um die Privatsphäre des Bürgers die Chefs der Internet-Konzerne auf unsere Seite stehen. Schön wäre jedoch, wenn der Internet Gigant Facebook die Privatsphäre seiner Nutzer nicht nur vor dem Amerikanischen Präsidenten einfordern, sondern auch nicht weiter einschränken würde, durch sich ständig verändernde und komplizierte Privatsphäre-Einstellungen auf seiner Seite.

Die große Gefahr für unser komfortables Leben im 21. Jahrhundert ist der totale Verlust der Privatsphäre. Die rechtsfreie Zone, die das Internet ist und vor dessen Überwachung uns auch unsere Bundesregierung nicht schützen kann, birgt eben deshalb Gefahren mit sich, die der Einzelne jetzt noch nicht zu erkennen mag. Zumal er in seinem zuhause sitzend ja nicht weiss, wer genau ihn da gerade ausspäht und so überlegt er vielleicht zweimal, aber schaut sich zu guter Letzt doch seinen Schmuddelfilm an, weil ihn die NSA bestimmt nicht an seiner freien Persönlichkeitsentfaltung abhalten wird.

  1. Quelle: www.theguardian.com/world/2013/jun/06/us-tech-giants-nsa-data, Letzter Zugriff: 1. März 2014  
  2. Quelle: http://www.sueddeutsche.de/digital/telefonueberwachung-durch-geheimdienste-die-luege-von-den-metadaten-1.1916548,  Letzter Zugriff: 1. März 2014  
  3. Quelle: http://www.bundeskanzlerin.de/SiteGlobals/Forms/Webs/BKin/Suche/DE/Solr_Mediathek_formular.html?cat=videos&doctype=Video&id=850646, Letzter Zugriff: 1. März 2014  
  4. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=iHlzsURb0WI, Letzter Zugriff: 1. März 2014  
  5. Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nsa-skandal-facebook-chef-zuckerberg-laesst-obama-abblitzen-12858646.html, Letzter Zugriff: Letzter Zugriff: 1. März 2014  
  6. Quelle: https://www.facebook.com/zuck/posts/10101301165605491, Letzter Zugriff: Letzter Zugriff: 1. März 2014  

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