„Print ist tot“, heißt es. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Die ‚Erweiterte Realität‘ bietet zahlreiche Möglichkeiten, den Printmedien wieder zu einem Aufleben zu verhelfen. Diese Technik vermag es, die Lücke zwischen Print und Digital zu schließen und damit ein neuartiges und einzigartiges Leseerlebnis schaffen zu können. Hält die ‚Augmented Reality‘, was sie verspricht – nämlich eine Revolution der Printmedien? Inwiefern können die Printmedien von diesem Trend profitieren?
von Marcel Greiner-Mauschel
Sinkende Abonnement- und Leserzahlen, geringere Reichweite, niedrigere Werbeeinnahmen, Unrentabilität, Insolvenz – die Tageszeitungen stehen seit dem Aufkommen der neuen Medien auf wackligen Füßen. Das liegt nicht nur an der Art und Weise, wie sie sich heute finanzieren, sondern vielmehr an ihrer Natur. Sie entsprechen kaum noch den Wünschen und Bedürfnissen heutiger Generationen. Wollen die Printmedien wieder rentabel werden, müssen sie ihren Lesern einzigartige Zusatznutzen bieten und sich selbst neue, unabhängige Einnahmequellen schaffen. Augmented Reality spielt in Printmedien dabei eine Schlüsselrolle: sie ermöglicht die Entstehung komplett neuartiger Publikationen mit originellen Features und kann damit den kriselnden Printmedien zu neuem Leben verhelfen.
Die ‚Eßlinger Zeitung‘ war eine der ersten Tageszeitungen hierzulande, die in ihre Ausgabe vom 08.12.2012 auf der Panorama-Sonderseite via Augmented-Reality-Anwendungen zusätzlichen Inhalt als Gimmick für ihre Leser einband (siehe Bild).
Foto: Roberto Bulgrin, 8. 11. 2012 (Quelle: pressemeldungen.com)
Gründe für die Printkrise
Printmedien haben den Trend der Digitalisierung zu zögerlich begriffen und den Fehler begangen, ihre Zeitung bzw. ihr Magazin von Anfang an komplett unentgeltlich und unbegrenzt online verfügbar zu machen. Wieso sollten Leser entgeltlich offline lesen, wenn derselbe Inhalt auch kostenlos online verfügbar ist, zusätzlich angereichert mit Rich Media wie Video-Clips, Audio-Dateien, Animationen oder anderen weiterführenden Informationen mit Zusatznutzen? Außerdem werden statische Inhalte im Zuge der allgegenwärtigen Reizüberflutung ohnehin kaum noch wahrgenommen. Auch ist im Zeitalter der sozialen Netzwerke die Interaktivität das herausragende Kriterium für ihren immensen Erfolg – und gerade die Zeitungen ermöglichen keine bzw. nur wenig ansprechende Interaktivität.
Infotainment ist King
Oft ist das Lesen eines Printmediums ein fast ausschließlich passives Vergnügen, was dem Aktivitätsbedürfnis nicht im geringsten entsprechen kann. Dem Medienkonsumenten von heute reicht die bloße Informationsbefriedigung nicht mehr aus, er möchte aktiv werden, mit Gleichgesinnten interagieren, Meinungen austauschen, sich verwirklichen, etwas erleben. Infotainment ist das, was gefragt ist. Wer Informationen mit unterhaltenden Elementen verbinden kann, erreicht die Menschen heute besser und häufiger. Das zeigt sich nicht zuletzt am Erfolg des abendlichen Nachrichtenjournals RTL Aktuell des gleichnamigen Privatsenders, welcher unmittelbar mit den heute-Nachrichten und der Tagesschau (ZDF & ARD) um Einschaltquoten konkurrieren kann.
Medienintegration: Monomedialität vs. Multi- und Crossmedialität
Ein weiterer Grund für die Krise der Printmedien ist ihre Monomedialität. Sie widerstrebt absolut den Bedürfnissen heutiger Generationen. Die immer geringer werdende (Frei-)Zeit der Menschen bedingt immer höhere Flexibilität der Benutzung von Technik. Die mobilen Endgeräte haben nicht zuletzt wegen ihrer revolutionären Medienintegration ihren unaufhaltsamen Siegeszug um den Globus angetreten. Heute ist nahezu alles, wofür sonst mehrere einzelne Medien existieren mussten, mit nur einem Endgerät möglich: dem Smartphone. Mobile Endgeräte neuerer Generationen bieten alle Vorteile, die die stationären internetfähigen Endgeräte (PC, Laptop) bereits mit sich brachten und erweiterten diese noch um praktische und bequemliche Komponente. Convenience ist seit je her eines der ausschlaggebenden Argumente für Erfolg. Die Zukunft der Printmedien entscheidet sich gerade am Punkt der Multi- und Crossmedialität: Wie können die Lücken zwischen Print und Digital möglichst „bequem“ geschlossen und gleichzeitig eine erfolgreiche publizistische Innovation ins Leben gerufen werden? Wie können dabei die Vorteile mobiler Endgeräte neuerer Generationen zum eigenen Vorteil genutzt werden?
Augmented Reality: Informationen „zum Leben erwecken“
Die Technik, die sich wie kaum eine andere dafür eignet, eine Brücke zwischen Print und Digital zu schlagen, ist die der ‚Erweiterten Realität‘. Die Augmented Reality ermöglicht integrierte, dynamische Echtzeit-Einblendungen kontextrelevanter digitaler Informationen in die reale, statische Welt – mittels passender Computer Interfaces. Diese können Muster oder Algorithmen über eine Handykamera erkennen und den Nutzer zu damit verknüpften Informationen direkt weiterleiten. Multimediale Inhalte in Printmedien werden durch Augmented Reality auf dem Papier verknüpft und durch Scan decodiert und erlebbar gemacht. Wie dies aussehen kann, zeigt ein Beispiel-Videoclip der AR-Agentur Metaio:
http://www.youtube.com/watch?v=LRceOYbrVzc
Quelle: Youtube, Augmented Reality Blog von Metaio
Ein Beispiel hierfür sind die allgegenwärtigen und allgemein bekannten QR-Codes. Bei den Printmedien ist genau dieser Gebrauch der AR erwünscht: die Augmented-Reality-Anwendungen bringen Multimedia dorthin, wo es eigentlich nicht sein konnte – und schafft gleichzeitig eine neuartige Dimension des Lesevergnügens. Durch die Übermittlung von zusätzlichem interaktiven und multimedialen Inhalt (Video, Audio, interaktive 3D-Animationen, Spiele etc.) via AR-Tag wird die statische und technophobe Publizistik revolutioniert. Komplett neuartige Publikationsformen mit originellen Features entstehen.
Publizistische Revolution: AR ist die Zukunft der Printmedien
Doch was können AR-Anwendungen explizit in der Publizistik erreichen? Und für welche Publikationen eignet sich die Erweiterte Realität überhaupt? AR-Anwendungen können sowohl funktionelle Ziele für den Nutzer als auch Ziele zur Vermarktung des Printmediums verfolgen. Ein funktionelles Ziel von Augmented-Reality-Anwendungen beispielsweise ist es, die kognitive Überladung des Lesers durch Einbindung visueller, textauflockernder Elemente wie Tags, QR-Codes oder ähnlichem zu reduzieren. So können Informationen nicht nur aufgelockert, sondern erlebbar gemacht werden. Das verbessert die Lesbarkeit und den Informationsbehalt durch Verknüpfung mit visuellen Elementen.
Erweiterte Realität: Neue Einnahmequellen für Printmedien?
Durch die Einbindung von erweiterter Realität wird hinsichtlich der Vermarktung eine relativ junge, technikaffine, aber kaufkräftige Leserschaft angesprochen. Ebenfalls können neue Einnahmequellen durch Einbindung von Werbung in die AR-Anwendung erschlossen werden – und dies nicht nur durch Werbung. Auch wäre zu überlegen, ob das Printmedium AR-Applikationen gänzlich kostenfrei oder mit einem Bezahlmodell anbietet (einmalig, monatlich, jährlich etc.).
Höhere Werbeeinnahmen können in Zukunft durch AR-Applikationen statt mit typischen Printanzeigen erzielt werden. Hierbei können Transaktionen von Gütern und Dienstleistungen ganz einfach durch Einbetten eines dazu weiterleitenden QR-Codes oder vergleichbaren Applikationen umgesetzt werden. Ebenso können spezielle Inhaltsbereiche in den Magazinen und Zeitungen direkt zu Werbetreibenden weiterleiten – digitaler Inhalt kann via AR-Tag visualisiert werden. Der Kreativität ist hier kaum Grenzen gesetzt. Wie das aussehen könnte, haben die Damen und Herren von SDK Lab aus Südafrika toll veranschaulicht:
Quelle: Youtube, Zugriff: 01.08.2013
Augmented Reality als Universallösung für Publikationen?
Doch nicht nur die Funktionalität und Vermarktung von Zeitungen und Magazinen kann über AR-Anwendungen runderneuert werden, sondern auch jene von anderen Publikationen. Diese umfassen unter anderem Bücher und Enzyklopädien für Kinder (Erklärungen über Augmented-Reality-Anwendungen), crossmediale Produkte für das Edutainment (visualisierte Lern- und Merkhilfen), Universitätsbücher, Technische Bücher bzw. Fachbücher (3D-Modelle etc.) und Touristenführer (zusätzliche Informationseinblendungen). Die Erweitere Realität ergänzt hier das fertige Produkt mit kontextsensitivem, digitalem Inhalt, der die Publikationen in sich informativer, sehr viel ansprechender und damit potentiell erfolgreicher in Bezug auf Absatz und Vermarktung macht.
Fazit: Trotz aller technischen und organisatorischen Herausforderungen ist das Potential der Erweiterten Realität in der Publizistik riesig. Augmented Reality bietet großen Zusatznutzen für papier-basierte publizistische Produkte, sowohl kulturell als auch kommerziell. Mit dem Aufkommen mobiler Endgeräte der nächsten Generation bieten sich neue Horizonte für die Anwendung von erweiterter Realität. Printmedien werden, sofern sie langfristig weiterbestehen wollen, an den Anwendungen der Augmented Reality nicht vorbeikommen. Der Trend ist mit absoluter Sicherheit keine Eintagsfliege, denn die Verbreitung und Nutzung der mobilen Endgeräte wird auch in den nächsten Jahren weiter steigen. Dadurch wird die Implementierung von erweiterter Realität eine immer größere Rolle spielen. Von Zeitungen und Magazinen ist daher Pioniergeist gefragt: Wer mit einem neuartigen Konzept basierend auf den AR-Anwendungen einen Zusatznutzen für den Leser generiert und gleichzeitig noch selbst davon profitiert, kann wieder in eine rosige Zukunft blicken.
Anmerkung: Dieser Artikel wurde auf Basis des Whitepapers der italienischen Agentur ARmedia (http://www.armedia.it) erstellt und enthält einige wortgetreue Aussagen, vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Thematische Weiterführung finden Sie entweder auf dem Augmented Reality Blog von ARmedia (http://arblog.inglobetechnologies.com) oder auf dem Youtube-Channel inglobe (http://www.youtube.com/inglobe.