Von angehenden Journalisten und einem, der irgendwie einer geworden ist, obwohl er eigentlich etwas Anderes im Sinn hatte. Eine kurze Reportage über eine Exkursion wochenendreifer Studenten.
Freitagnachmittag in einem dieser charakteristischen Berliner Hinterhöfe. Eine kleine Gruppe Journalismus-Studenten quält sich die etwa 120 Stufen ins Dachgeschoss eines ebenso charakteristischen Berliner Altbaus hinauf. Einige von ihnen keuchen als sie endlich oben sind. Sogar den etwas fitteren ist die Lust aufs Scherzen vergangen.
Nach und nach betreten sie die unauffällig eingerichteten Redaktionsräume des Netzpolitik-Blogs. Empfangen werden sie dort von einem Mann, dem man genauso gut in einem Comicbuchladen hätte begegnen können, scherzt jetzt doch jemand. Der vielleicht Vierzigjährige trägt Brille, Bluejeans und dazu einen schwarzen Kapuzenpulli, auf dem ein fünfzackiger roter Stern prangert, der ein wenig an das Symbol der RAF erinnert. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch, dass die AK durch eine Tastatur ersetzt wurde. Es ist der Chefredakteur und Gründer von netzpolitk.org — Markus Beckedahl. Zielsicher und bestimmt geleitet er die Studenten in den kompakten Konferenzraum, dessen einziges Fenster eine elektrische Dachluke ist und dem Raum das Flair eines Verhörraumes verleiht. Nur ein Plakat mit der Aufschrift „newthinking“ lockert die Strenge etwas auf. Da kommt es gelegen, dass Beckedahls leicht nerdige Erscheinung, ihn wie einen älteren Kommilitonen wirken lässt. Die angehenden Journalisten scheinen trotzdem noch etwas verlegen. Markus Beckedahl stört das nicht, er übernimmt gleich die Initiative und beginnt erstmal damit, sich vorzustellen.
Auch wenn sein Blog sehr erfolgreich sei, er selbst sieht sich nicht als Journalisten, sagt er. „Ich bin eher ein Aktivist. Aber wenn andere behaupten, dass ich Journalist bin, dann muss da wohl auch was dran sein.“ Die Anderen, das sind in seinem Fall renommierte Institutionen wie Grimme oder das „medium magazin“, bei dessen Wahl zum Politikjournalisten des Jahres 2012, Beckedahl den siebten Platz belegte. Zu verdanken habe er die ihm entgegengebrachte Aufmerksamkeit seinem 2004 gegründeten Blog, einer Plattform für digitale Bürgerrechte. „Ich habe begonnen tagebuchartig zu bloggen. Damals interessierten sich nur sehr wenige Leute für Themen wie Überwachung oder Netzneutralität. Und die etablierten Medien trauten sich auch nicht an diese Sachen heran. Oder sie waren ihnen egal.“
Für ihn persönlich sei das eine Lücke gewesen, die er ausfüllen wollte. Das Medium Blog habe er nur gewählt, weil es ihm an HTML-Kenntnissen mangelte. All das ist jetzt mehr als zehn Jahre her. Inzwischen schreiben etwa 30 Leute für Netzpolitik. Markus Beckedahl macht das stolz. Er redet viel und gerne über sein Werk. Manchmal gebe es aber natürlich auch Probleme.
„Oft wurde mir vorgeworfen ich sei Lobbyist, weil ich für freies Internet und Netzneutralität einstehe. Deshalb wurde mir auch die Akkreditierung für den Bundestag verwehrt.“ Aber nach einigem Geplänkel habe er sie doch bekommen. Beckedahl ist eben einer, der immer einen Weg findet.
Beim Stichwort „Lobbyist“ werden einige Studenten hellhörig. Sie wollen wissen, wie sich Netzpolitik finanziert, schließlich gebe es keine Werbung. Es sei eine gute Mischung aus Spenden und eigenen Mitteln. Zumal Werbung auch gar nicht ins Konzept passe, da 90 Prozent der Leserschaft Ad-Blocker nutze, meint Beckedahl. „Mittlerweile bekommen wir jeden Monat 6000 Euro an Spenden rein. Und das konstant. Das hätte ich früher nicht für möglich gehalten. Einmal stand sogar jemand mit 900 Euro in Bar in der Redaktion und wollte sie unbedingt spenden, weil er unsere Sache so wichtig und gut fand.“
Das Geld scheint gut angelegt, denn besonders beim Thema Netzneutralität sprudelt es aus dem selbsternannten Netzaktivisten heraus. Er will sich nicht vorstellen, dass aus dem Internet eine zwei Klassengesellschaft wird. Es wäre das Ende für die kleinen Anbieter, sagt er und meint damit auch sich selbst. Google, Facebook und Co. würden natürlich gerne für eine Bervorzugung ihrer Dienste bezahlen. Und die Telekom würde das Geld auch gerne annehmen. Aber einen Blog wie den seinen, würde dann keiner der anwesenden Studenten mehr so einfach starten können. Die scheint das in dem engen und mittlerweile sehr stickigen Konferenzraum aber nur noch wenig zu interessieren. Schließlich ist Freitag und 120 Stufen sind schneller ab- als aufgestiegen. Markus Beckedahl jedenfalls wird trotzdem nicht damit aufhören aufzusteigen. Das scheint sicher.