Bin ich jetzt in?

Wer hätte das für möglich gehalten? Ein YouTuber trifft die Bundeskanzlerin. Oder trifft die Bundeskanzlerin endlich auf YouTube? Wahrscheinlich beides. Jedoch handelt es sich hierbei um die Crème de la Crème der Videoplattform. DEN YouTube-Star – der Bundeskanzler unter den YouTubern quasi. LeFloid darf ganz offiziell und für seinen Kanal Angela Merkel interviewen. Es geht um Homophobie, Hass im Internet, Bildung, TTIP, Obama – ein thematischer Rundumschlag. Aber wozu das Ganze? Ernsthaftes Interesse an einem Dialog oder alles nur PR?

von Anne Dittmann


Man muss es schon zugeben: Florian Mundt alias LeFloid hat das Interview seines Lebens nach 30 Minuten und 43 Sekunden beendet, ohne auch nur eine neue Information aus der Bundeskanzlerin gekitzelt zu haben. Und Angela Merkel selbst hat nicht nur viel geredet, sondern auch 30 Minuten und 43 Sekunden lang nichts gesagt. Das Merkel-Interview auf YouTube, das seit dem 13. Juli über 3,3 Millionen Klicks1 generiert hat und noch am selben Tag in sämtlichen Online-Medien einschlug wie eine Bombe, entlässt den Zuschauer trotzdem nur mit einer offenen Frage: Wie konnte ein öffentliches Gespräch zwischen zwei Menschen, die in ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern die höchsten Positionen erreicht haben, so blutleer sein?

Wer LeFloid kennt – und das sind mittlerweile weit mehr Menschen als seine knapp 2,7 Millionen Abonnenten – erwartete einen „YouTuber aus Leidenschaft mit dem Hang zur eigenen Meinung und Spaß am Provozieren“2 – wie er sich auch selbst in seiner Kanalinfo beschreibt. Im Merkel-Interview war davon nichts zu sehen. Eine eigene Meinung? Fehlanzeige. Nachhaken? Lieber nicht. Stattdessen versteckte er sich hinter den Fragen der Netzgemeinde, die er vorab unter dem Hashtag #NetzFragtMerkel3 gesammelt hatte. Darunter auch das Stichwort Homo-Ehe. Mundts Ansicht ist bekannt4: Homophobie nein, Gleichberechtigung ja. Doch für Angela Merkel „[…] ist eine Ehe das Zusammenleben zwischen Mann und Frau […]“ und das sei, sagt sie, keine Diskriminierung, sondern nur ihre Meinung. LeFloid nickt gebetsartig. „Absolut.“

Glitschig wie ein Aal

Aber auch Merkel bringt es nicht auf den Punkt: TTIP wird im Geheimen verhandelt? Alles Quatsch, es gebe schließlich Broschüren dazu. Und auf die Frage, ob Whistleblower einen wichtigen Beitrag leisten, stellt sie fest: „Es gibt sie und damit muss man leben.“ Die Bundeskanzlerin hat sich schon durch die Arme von listigeren Journalisten geaalt. Aber dann wird es doch noch kurz spannend: Als LeFloid Barack Obama als Social-Media-Präsident lobt, wirft die Kanzlerin ihren Instagram-Account in die Wagschale. Angela Merkel auf Instagram? Zwischen Belfies und den Kardashians? Nein. Jedenfalls nicht wirklich. Der Account „Bundeskanzlerin “ ist in etwa genauso privat wie der Name. Ob sie ihn überhaupt selbst schon besucht hat?

Vielleicht verzeichnet die „Bundeskanzlerin“5 deshalb nur knapp 57 Tausend Follower bei 111 Beiträgen auf der Bilderplattform – im Gegensatz zu 183 Updates und über 4,2 Millionen Followern bei Obama6. Sein Konzept mit Einblicken in scheinbar private Momente geht besser auf. Aber bei dem was sie macht, fragt sich die Kanzlerin laut eigenen Aussagen sowieso nicht: „Bin ich da jetzt in?“. Sie folge ihren politischen Zielen.

Florian Mundt statt LeFloid

Trotzdem fühlte sie sich wohl durch Mundts Lob an Obama in die zweite Riege gestellt. Nicht mit Bundeskanzlerin Merkel! Kurz vor Schluss verkündet sie noch ohne Nachfrage und mit geschwollener Brust: „Ich hab’ sogar schon mal ein Google Hangout gemacht.“ Aber dadurch wird es auch nicht besser. LeFloid lacht verlegen und muss sich ein „Ohooooooo, Frau Bundeskanzlerin!“ schier verkneifen. Darum blieb das Interview langweilig: Florian Mundt verkniff sich, LeFloid zu sein und Angela Merkel verkniff sich, Stellung zu beziehen. Was hatten also die Akteure von ihrem Auftritt?

Für LeFloids Kanal ist es schon jetzt das erfolgreichste seiner YouTube-Videos. Und durch die Pressestimmen ist sein Name über die deutschen Grenzen geschwappt7. Was die Bundeskanzlerin betrifft, erhoffte sie sich vermutlich einen ähnlichen Erfolg wie bei Obama. Denn unter dem Hashtag #YouTubeasksObama gab es die gleiche Show bereits im Januar. Bis heute generierte das Videos knapp 3,6 Millionen Klicks und über 70 Tausend Daumen nach oben8. Angela Merkel kann sich über drei Mal so viele positive Stimmen freuen. Obwohl ihr das ja offiziell egal ist. Aber wer würde der Mutti von Deutschland verübeln, dass sie insgeheim doch in sein möchte? Ist doch nichts Schlechtes. Insbesondere in Hinblick auf die nächsten Bundestagswahlen und wer darf da zum ersten Mal wählen gehen? Genau! LeFloids Zuschauer9.

  1. Vgl.: https://www.youtube.com/watch?v=5OemiOryt3c Zugriff am 22.07.2015  
  2. Vgl.: https://www.youtube.com/user/LeFloid/about Zugriff am 20.07.2015  
  3. Vgl.: http://www.sueddeutsche.de/medien/netzfragtmerkel-youtuber-lefloid-interviewt-merkel-1.2554480 Zugriff am 22.07.2015  
  4. Vgl.: https://www.youtube.com/watch?v=-YvLmf1fZ-I Zugriff am 20.07.2015  
  5. Vgl.: https://instagram.com/bundeskanzlerin/ Zugriff am 22.07.2015  
  6. Vgl.: https://instagram.com/barackobama/ Zugriff am 22.07.2015  
  7. Vgl.: http://www.dailymail.co.uk/news/article-3162567/Twice-married-Christian-Angela-Merkel-says-disagrees-gay-marriage-despite-opposing-discrimination-difference-point.html Zugriff am 22.07.2015  
  8. Vgl.: https://www.youtube.com/watch?v=GbR6iQ62v9k Zugriff am 22.07.2015  
  9. Vgl.: https://www.tagesschau.de/inland/lefloid-lenews-youtube-101.html Zugriff am 22.07.2015