LiveLeak – Videocontent und Journalismus im Web 2.0

Das Web 2.0 bietet dem Konsumenten die Möglichkeit, selbst Inhalte zu generieren. Blogs und Smartphones ermöglichen eine schnelle und ereignisnahe Berichterstattung. Als bestes Beispiel hierfür gilt LiveLeak.1

Hayden Hewitt im Interview

von Philip Placek

Im Mai 2010 veröffentlichte die Internetplattform WikiLeaks sensible Videos und Dokumente der US-Armee2. Der damalige Soldat Bradley Manning (jetzt Chelsea Elizabeth Manning3) versorgte WikiLeaks mit dem Material. Das wichtigste der Videos zeigte eine Gruppe von Menschen im Irak, die durch einen US-amerikanischen Kampfhubschrauber beschossen wurde. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei um Zivilisten und Journalisten von Reuters 4. Verstörend waren dabei nicht nur die vielen, kleineren Explosionen der Geschosse und die verstümmelten, am Boden liegenden Körper, sondern die aggressiven Kommentare des Piloten und seines Bordschützen. Im Fernsehen wurden die Bilder wegen ethischer Gründe nicht vollständig gezeigt. Der Zuschauer hatte nicht die Möglichkeit zwischen der zensierten und vollständigen Version zu wählen. Die Wahl wurde ihm durch die Massenmedien abgenommen.

Der Vorfall hatte weitreichende Folgen – sowohl für WikiLeaks, als auch für Bradley Manning. WikiLeaks Sprecher und Mitbegründer Julian Assange wurde von den USA verfolgt. Nach einem Verfahren 2010 in Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen wurde er nach London ausgewiesen, wo er in der ecuadorianischen Botschaft seit Juni 2012 Asyl erhalten hat und lebt. Bradley Manning wurde zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Seit dem ist es um WikiLeaks still geworden. Bietet das Internet jedoch eine Alternative zu WikiLeaks? Ja, LiveLeak.

2006 machte LiveLeak Schlagzeilen, als ein Video von Saddam Husseins Hinrichtung auf der Plattform hochgeladen wurde5. Mitbegründer Hayden Hewitt spricht sich vor allem für eine klare Bezeichnung der Videos aus, damit unzensierte Inhalte in einen wahrheitsgetreuen Kontext getan werden.6Ziel der Internetseite ist es, Informationen anzubieten, welche in den Massenmedien nicht kritisch genug behandelt werden, was sich auch im Slogan widerspiegelt: “Redefining The Media“.

Aufbau der Seite

Das Hauptfeature der Plattform ist die Möglichkeit des Hochladens von Videos. Zu vergleichen etwa mit Youtube oder vimeo. Beim ersten Betreten der Seite, ist am oberen Bildrand ein Infokasten mit dem Text „Safemode: on“ zu sehen. Wie auf Youtube, besitzen die Videos eine Bildvorschau. Ist der sichere Modus eingeschaltet, wird anstatt eines Bildauschnitts vom hochgeladenen Inhalt eine Vorlage mit der Aufschrift „Mature Content“ angezeigt. Wird dann auf eines der Videos geclickt, wird wiederholt darauf hingewiesen, dass der Nutzer sich schockierendem Content aussetzt. Auffällig ist auch, dass die Beschreibungen sehr detalliert und lang sind. Nutzer werden vor dem Hochladen darauf hingewiesen wahrheitsgetreue Hintergrundinformationen zu liefern. Im Bereich „Yoursay“ wird dieser Content angezeigt.

Ähnlich, wie bei einem Blog, gibt es eine Kommentarfunktion. Dadurch, dass es vor allem um politische Themen geht, sind die Kommentare stark meinungsbetont und zugespitzt. Wenn Weltereignisse stattfinden, die von besonderer Bedeutung sind und sich über einen längen Zeitraum erstrecken, erweitert die Seite die obere Buttonleiste um weitere Überschriften. Die aktuellste Erweiterung ist „Ukraine“. Neben der Verlinkung zu externen Blogs, besitzt die hauseigene Belegschaft einen eigenen Blog, in dem hauptsächlich politische Themen durch Hayden Hewitt behandelt werden.  Die Appfunktion der Seite, lässt sich über einen dafür eingerichteten Button herunterladen. Momentan ist die App nur mit Android kompatibel.

Freie Meinung – Freie Zensur

Im Mai 2007 hat das US-amerikanische Verteidigungsministerium den Zugang zu Seiten, wie Youtube und Myspace für im Ausland stationierte Soldaten gesperrt, um für die Sicherheit ihrer Einsätze zu garantieren.7 Die Soldaten umgehen die Zensur, in dem sie auf LiveLeak aktiv sind. Viele der Videos sind Originalaufnahmen der Helmkameras der Soldaten. Sie bieten eine direkte Einsicht in die Kampfhandlungen. Aufgrund des brutalen und schockierenden Filmmaterials ist die Plattform stark umstritten. Im Sommer 2007, nach einem Beitrag des Fernsehmagazins „Panorama“ von BBC One, wurde LiveLeak kritisiert, nachdem Handyvideos von Kämpfen zwischen elf- und zwölfjährigen Kindern veröffentlicht wurden8.

LiveLeak setzt sich mit der Darbietung freier Meinung einer hohen Gefahr aus. Nachdem sich kein Fernsehsender zur Ausstrahlung bereitgefunden hatte, veröffentlichte der niederländische Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei, Geert Wilders, am 27. März 2008 seinen islamkritischen Kurzfilm „Fitna“ in zwei Versionen auf der Plattform. Der 15-minütige Film löste schon vor der Internetveröffentlichung internationale Diskussionen aus. Er wurde binnen einer Stunde über eine Million Mal abgerufen. Am darauf folgenden Tag wurde der Film entfernt und durch eine offizielle Stellungnahme ersetzt9. Grund für das Entfernen waren ernste Drohungen und Angst um das Leben der Mitarbeiter.10 „Fitna“ wurde wenige Tage später wieder hochgeladen.

LiveLeak bietet Zugang zu Informationen, die aufgrund ihrer Brisanz selten, schwach oder gar nicht in den Massenmedien behandelt werden. Die Plattform ist nicht nur als Uploadseite zu sehen. Die Kommentarfunktionen und Chats mit Nutzern und Betreibern bieten die Möglichkeit zur politischen Meinungsbildung. Der Nutzer ist im Gegensatz zum Fernsehen nicht nur Konsument, sondern aktiv beteiligt. Ihm werden Informationen ungefiltert angeboten, welche er nach seinem eigenen Ermessen filtern vermag. Wer sich auf der Seite rumtreibt, sollte einen starken Magen besitzen. Die unzensierten Videos verstören anfangs sehr.

Es sind nicht nur brutale Kriegsvideos auf der Seite vorhanden. Unterhaltungsinhalte, welche Youtube-Standard besitzen, bieten eine gute Abwechslung. Die zugehörige App funktionierte auf einem Android Smartphone ohne Fehler. In den Foren kann sich der Nutzer abseits der Videos auf Diskussionen einlassen. Dafür braucht der User zwar ein Konto, dieses ist aber kostenfrei. Die Einzige Barriere der Seite ist die Sprache. Da die Themen eines fortgeschrittenen Vokabulars benötigen, sind ausgeprägte Englischkenntnisse notwendig. LiveLeak ist übersichtlich, relevant und aktuell und als Alternative zu den Massenmedien mit seiner Kommentarfunktion nur zu empfehlen.

  1. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=kR2S6ED9JEE, Zugriff 29.7.2014.  
  2. Vgl.: http://www.theguardian.com/world/2010/jul/06/bradley-manning-charged-iraq-killings-video, Zugriff 29.7.2014.  
  3. Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-08/bradley-manning-transsexualitaet-chelsea   
  4. Quelle: http://www.reuters.com/article/2010/04/06/us-iraq-usa-journalists-idUSTRE6344FW20100406   
  5. Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/24/24344/1.html  
  6. Quelle: http://www.liveleak.com/view?i=138_1382498947  
  7. Quelle:http://hamptonroads.com/node/266231  
  8. Quelle: http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/panorama/6921555.stm   
  9. Quelle: http://www.pi-news.net/2008/03/morddrohungen-fitna-bei-liveleak-geloescht/   
  10. Quelle: http://www.welt.de/politik/article1849535/Website-nimmt-Anti-Islam-Film-aus-dem-Netz.html   

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