Politische Partizipation ? Gefällt mir!

von Mert Özsöyler

Facebook, Twitter und Co. sind ein Teil der politischen Kommunikation geworden. Kein politischer Akteure kann sich der neuen Entwicklung entziehen.

Seit Jahrzehnten ist ein Rückgang der Wahlbeteiligung, sowohl in Europa als auch in den USA, zu verzeichnen. Einige geben der Bevölkerung selbst die Schuld, welche durch ihre Konzentration auf Konsum und Privatleben sich völlig von der Politik ihres Landes entfremdet hat. Andere wiederrum, vor allem die von der Wirtschaftskrise hart getroffene südeuropäische Jugend, haben das Vertrauen in ihren Staat verloren, den sie in den Händen von Wirtschaftseliten sehen. „Wir gehen nicht mehr wählen, weil es sowieso nichts mehr bringt“ ist eine oft vorkommende Aussage im Netz.

Ausschnitt aus der Al Jazeera English Serie „Empire“ vom 17.02.2011

Als sich im Dezember 2010 der tunesische Gemüsehändler Mohamed Bouazizi anzündete, wussten innerhalb von wenigen Stunden tausende von Menschen weltweit von diesem Vorfall. Solidaritätsbekundungen wurden zu Protesten und entwickelten sich durch die Anwendung von Gewalt seitens staatlicher Sicherheitskräfte zu teilweise blutigen Revolutionen und Bürgerkriegen, an denen Hundertausende beteiligt waren bzw. sind. Unterstützt wurde dies durch informelle Netzgemeinschaften,  sogenannten Sozialen Netzwerken („social networking sites“, kurz SNS). Diese lösten, um beim Beispiel des arabischen Frühlings zu bleiben, eine Massendynamik durch Verbreitung von Informationen und Bildern aus. Europäische Aktivisten und Journalisten halfen den Informationsfluss offen zu halten, in dem sie nicht nur Hardware, aber auch Links zu Proxy-Servern über Facebook und Twitter vermittelten. Sie organisierten Flashmobs, spontan aussehende, aber geplante Zusammenkünfte und Proteste vor den diplomatischen Vertretungen der jeweiligen Staaten.

Die Ereignisse führten zu einem neuen Schlagwort: Demokratisierung und politische Partizipation durch soziale Netzwerke. Vor allem für die jüngere Bevölkerung ist dies eine Möglichkeit wieder die Geschicke des Staates mitzubestimmen.

US-Amerikaner sind die besseren politischen User

Laut einer Studie vom Oktober 2012 des Pew Research Centers bezüglich SNS und politischem Engagement, haben 66 Prozent der amerikanischen Nutzer bzw. 39 % aller amerikanischen Erwachsenen [sic!] in solchen Netzwerke ihre „Gedanken zu zivilen und politischen Themen veröffentlicht, auf die Einträge anderer reagiert, Freunden Wahlempfehlungen gegeben und auf andere Quellen verwiesen“.

31 Prozent rufen zum politischen Engagement auf und 21 Prozent sind sogar in einer politischen Gruppe innerhalb solcher Netzwerke.

Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 18 bis 29 Jahren sind meistens aktiver, als andere Altersgruppen. Bezüglich der politischen Einstellung stechen vor allem junge Liberale mit relativ hohem Einkommen und höherem Bildungsabschluss hervor. Das liegt vor allem daran, dass in diesen Gesellschaftskreisen ein außerschulisches Engagement für die Gesellschaft mit einer politischen Komponente verbunden wird und somit bereits in der Oberstufe der Grundstein für aktives und bürgerliches Engagement gelegt wird. In Deutschland hingegen nutzen laut der 16. Shell Jugendstudie nur 25 Prozent der Jugendlichen zwischen 18-25 Jahren intensiv SNS und nur 33 Prozent der befragten sind politisch interessiert. Nichtsdestotrotz sind auch sie politisch aktiv, wenn ihnen die Sache persönlich ist: 77 Prozent würden ihre Unterschrift unter Petitionen setzen und sogar 40 Prozent  an Demonstrationen teilnehmen.

Neben sämtlichen Ministerien, Ministern und der Kanzlerin zeichnen sich vor allem junge Mitglieder des Bundestages durch eine hohe Aktivität auf SNS aus. Vor allem Abgeordnete zwischen 30-40 Jahren sind besonders engagiert und interagieren mit anderen Nutzern. Besonders sticht die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor, während die CDU am inaktivsten ist.

Besonderheiten von Facebook und Twitter

Es gibt eine Vielzahl von sozialen Netzwerken, dennoch stehen vor allem das soziale Netzwerk Facebook und das Microblogging-System „Twitter“ im Mittelpunkt. Beide dienen zur Verbreitung von Information und als Diskussionsplattform, doch unterscheiden sie sich vor allem in ihrer praktischen Nutzung und Nutzen.

Twitter ist eine one-to-many Kommunikation und dient vor allem dazu kurze Nachrichten in Echtzeit zu versenden. Durch die Hashtag-Funktion ist es für den interessierten Nutzer viel einfacher Informationen zu einem bestimmten Thema bzw. Ereignis finden. So war das bzw. ist Hashtag „#sidibouzid“ der erste Sammelbegriff für Informationen zu den landesweiten Protesten in Tunesien. Unter dem Hashtag „#JAN25“ erhielt bzw. erhält man konkrete Informationen zu den entscheidenden Protesten in Ägypten. Individuelle Hashtags helfen relevantes aus irrelevantem zu trennen. Mit Hashtags wie „#Tunesia“ oder „#Egypt“ wären die relevanten Informationen untergegangen.

Die Funktion Facebooks ist fast identisch zum dem von Twitter, doch nicht so offen für Außenstehende wie bei Microblogging-System. Gespräche können auch auf Eigeninitiative unter Freunden und Bekannten geführt werden, aber auch in hierfür erstellte Gruppen. Zur Teilnahme an diesen Gesprächen muss man diese Gruppe „liken“ und manchmal ist sogar ein Einverständnis des Administrators notwendig, um dieser Gruppe beizutreten. Gruppen bei denen die Aufnahme kontrolliert ist, fördern die Privatisierung des politischen Dialogs und verhindern eine differenzierte Meinungsbildung der Mitglieder. Zu erwähnen ist, das man durchaus auch den Gruppendialog durch konfigurieren der Datenschutzeinstellung veröffentlichen kann. Doch selbst dann ist eine Teilnahme von Außenstehenden nicht möglich. Facebook einigt sich vor allem zum einfachen Dialog  zwischen Freunden und ist für die individuelle und eindringliche Überzeugungsarbeit sehr gut geeignet. Diese Möglichkeit ist auch bei Twitter gegeben, jedoch weniger effizient, da nur 16 Prozent aller (amerikanischen) Nutzer Twitter-Accounts haben und die Zahl in Deutschland sogar geringer ist.

Fazit

SNS verringern die Kluft zwischen Akteuren und ermöglicht Interessenten eine neue Möglichkeit zur politischen Partizipation. Es bietet die Möglichkeit der Vernetzung von Gleichgesinnten bzw. Interessierten und die Option seine Informationen publik zu machen. Sie sind eine offene Bühne für die politische Diskussion, die dezentral organisiert ist. Für Public-Relations-Agenturen und andere politische Akteure ist sie eine Kampagnenplattform, welche eine enorme Schnelligkeit und hohes Mobilisierungspotenzial hat. Vor allem um jüngere Menschen (sogenannte „Digital Natives“) zu erreichen, eignen sich solche SNS hervorragend, das sie nicht nur die Gepflogenheiten im Netz kennen, sondern sich sicherer in diesem bewegen als auf einer „physischen“Bühne  Es gibt verschiedene Wege dies zu vermitteln. Von der Lokalpolitik auf die Bundesebene oder direkt dort zu beginnen wäre eine Möglichkeit. Auf alle Fälle muss die unterhaltsam geschehen, um keine erneute Verdrossenheit auszulösen.

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Quellen:

  1. Meckel, Miram; Hoffmann, Christian P. & et. al : Politiker im Netz – Der Social Media Activity Index 2011 des 17. Deutschen Bundestages – Zwischenbericht, Universität St. Gallen,  2011 – http://tiny.cc/0uldtw (Zugriff 02.03.2013)
  2. Rainie, Lee; Smith, Aaron & et al: Social Media and Political Engagement,Pew Research Center’s Internet & American Life Project, Washington D.C., 2012 – http://tiny.cc/ktldtw (Zugriff am 01.03.2013)
  3. http://www.bapp.uni-bonn.de/forschung/forschungsprojekte/digitale-citoyens.-politische-partizipation-in-zeiten-von-social-media (Zugriff am 01.02.2013 und 02.03.2013)
  4. http://www.shell.de/aboutshell/our-commitment/shell-youth-study/2010/politics.html (Zugriff am 01.03.2013)
  5. http://www.youtube.com/watch?v=EAuxNXmAbyY (Zugriff am 02.03.2013)
  6. http://www.youtube.com/watch?v=441HJTSUpXw (Zugriff am 02.03.2013)

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