Blog vom 23.5.2012 von Sebastian Köhler
1.) Es gibt Neues von der Front der Grenzgänger zwischen Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Denn in der „Bild“ findet sich ja ohnehin laut der Studie von Arlt und Storz „Eine Marke und ihre Mägde“ eine Mischung dieser drei medialen Kommunikations-Gattungen.
Und „Bild“ scheint auch die Drehscheibe zu sein für die Karriere(-n) des Bela Anda: Der hatte bis zum Jahre 2002 als Redakteur, Chefreporter und Ressortleiter bei dem Blatt gearbeitet. Dann berief ihn im Jahre 2002 Gerhard Schröder (der sollte ja 1999 geäußert haben, dass er zum Regieren nur Bild, Bams und Glotze brauche) nach seiner Wiederwahl zum Kanzler als Regierungssprecher, was Anda bis 2005 blieb. Später wurde Anda Leiter der Unternehmenskommunikation eines großen Finanzkonzerns, der AWD-Holding. Ab 15.Mai 2012 sollte Bela Anda wieder zur „Bild“ zurückkehren und als stellvertretender Chefredakteur ressortübergreifende Aufgaben wahrnehmen (vgl. BLZ 8.5.2012, S.26). Woran wir sehen können, dass „Bild“ sich mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft befindet – fragt sich nur, in welcher Gesellschaft?
2.) Auch in anderer Hinsicht steht „Bild“ wenn schon nicht in der Mitte, so doch im Mittelpunkt: Erstmals erhielten Mitarbeiter des Blattes den renommiertesten Journalistenpreis hierzulande in einer der Königskategorien, den Henri-Nannen-Preis für den besten investigativen Journalismus (siehe http://kress.de/mail/alle/detail/beitrag/116081-henri-nannen-preis-2012-hans-leyendecker-lehnt-auszeichnung-ab.html). Den Preis, aufgrund eines Jury-Patts geteilt mit einem Recherche-Team der „SZ“ für eine ganz andere Aufdeckung (wobei den dann namentlich Hans Leyendecker demonstrativ nicht annahm), gab es für Nikolaus Harbusch und Martin Heidemanns, die den Auslöser veröffentlichten, nach dem dann die Kreditaffäre um den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff aufgedeckt wurde. Der Kern des Disputes für einen an gesellschaftlicher Demokratisierung beteiligten Journalismus liegt darin, ob es bei einem solchen Preis 1.) um die reine Recherche-Leistung gehe oder 2.) um die konkrete Wirkung der Publikation oder aber 3.) um den Gesamtkontext des Mediums. Doch wenn Jury-Mitglied Ines Pohl von der taz ihre Ablehnung gegenüber Bild als Blatt der „Witwenschüttler“ kundtut, hat sie natürlich einerseits ganz einfach Recht, aber andererseits anscheinend nicht begriffen, dass Bild eben schon immer (s.o.) zumindest eine Melange aus (Boulevard-)Journalismus, PR in eigener und fremder Sache und aus Werbung ist. Und wenn sich dort die Gesellschaft dieser Tage in ihrer Mitte trifft, dann mag sich das freilich treffen mit dem wertvollsten Journalisten-Preis hier und jetzt.
3.) Im ZDF-Teletext stand am Sonntagabend, 6.5., die Schlagzeile: “Griechenland-Wahl: Euro-Sparkurs gefährdet”. Abgesehen von der Problematik des Wortes “Sparen” als positiv besetztes scheint mir die gebotene Neutralität hier vor allem durch ein anderes Wort gefährdet. Denn gibt eine Gefahr, der wir auch nur gleichgültig, geschweige denn sogar positiv gestimmt gegenüberstehen können? Ich fürchte (sic!): Nein. Doch die Problematik von scheinbar objektiven Sorgen und Befürchtungen grassiert: Bei Reuters hieß es am 15. 5: „In Griechenland ist am Dienstag nach Angaben des Präsidialamts auch der letzte Versuch zur Regierungsbildung gescheitert. Damit steht das hochverschuldete Euro-Land vor Neuwahlen. Es wird befürchtet, dass daraus die Gegner der Sparauflagen von EU und IWF noch stärker hervorgehen könnten. Damit wachsen die Sorgen, dass das Land auf dem direkten Weg in den Bankrott ist und die Euro-Zone verlässt.“ Fragen eines lesenden Zeilen-Arbeiters: Wer befürchtet das? Und wessen Sorgen wachsen? Nur, falls wir keine anderen Sorgen haben …