Wellnesszonen für Geschundene?

Angesichts der sogenannten „Paradise Papers“ ist in deutschen Medien immer wieder nachrichtlich die Rede von „Steueroasen“, von denen offenbar manche wie Malta oder Irland direkt zur EU gehören (siehe http://www.tagesspiegel.de/politik/neues-datenleck-zu-offshore-geschaeften-brisante-paradise-papers-enthuellen-steueroasen/20544142.html, Aufruf am 8.11.2017, 19.45 Uhr). Was bedeuten (uns) diese „Steueroasen“? Kai Biermann hatte dazu schon 2013 Erhellendes geschrieben (http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-04/steueroase-schimpfwort/komplettansicht, Aufruf am 8.11.2017, 19.50 Uhr).

Das Wort klingt insgesamt noch immer ziemlich positiv. „Oase“ ist der einzig wohnliche Ort inmitten von Wüste. Wortgeschichtlich kommt ja „Oase“ vom griechischen „óasis“ für bewohnter Ort, was wiederum auf das koptische „ouahe“ für Anpflanzung zurückgeht. Nur dort mag also überhaupt etwas gedeihen – die Umgebung ist lebensfeindlich. Damit ist die Oase ein schöner Flecken Erde, geradezu ein Sehnsuchtsort wie ein Paradies.

Und jetzt kommen die Steuern ins sprachliche Spiel: Mitten in der Wüste, in der alles wohlverdiente Geld sofort im Sande (des Staates) versickert, soll es Oasen für Leute mit (viel) Geld geben, in denen sie sich (ja, sogar als „Flüchtlinge“) vor dem Verfolgungsdruck der Finanzbehörden ein wenig ausruhen und zu neuen Kräften kommen können. Die „armen“ Wüstenwanderer. Ganz ähnlich, wie viele Menschen vor Krieg, Armut oder Erdbeben flüchten (vor lauter schrecklichen Sachen), scheinen andere vor dem GAU „Steuern“ zu fliehen, im Sinne einer bewussten Entscheidung. Oase gut, Steuern schlecht, fertig ist das Schwarz-Weiß-Bild.

Bemerkenswert, wie – über die normale kapitalistische Aneignung des Mehrwertes durch die Unternehmerseite hinaus – hier gleichsam mit verständnisvollem Augenzwinkern noch die nächste und übernächste Ausbeutungsstufe legitimiert werden: Das Steuerrecht und die Steuermoral bevorzugen in der Tendenz ohnehin die „Leistungsträger“, also diejenigen, die vor allem andere für sich arbeiten lassen. Aber auch vor dem Steuerrecht und nicht zuletzt für viele Medien scheint zu gelten, was George Orwell schon 1945 in seiner „Animal Farm“ beschrieben hatte: „Alle Tiere sind gleich, ABER MANCHE SIND GLEICHER.“

„Steuerverstecke“ wäre wohl, wie auch Kai Biermann meint, ein treffenderer Ausdruck für diese Orte.

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