1.) ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut hat auf meine Eingabe vom Mai nun im Juni schriftlich geantwortet. Ich hatte kritisiert, dass in der Politbaromometerumfrage von drei wichtigen US-Kandidaten für die kommende Präsidentschaft Bernard „Bernie“ Sanders schlicht nicht berücksichtigt wurde. Ich monierte, dass der Sender damit meines Erachtens mal wieder eine klassische „Über-Vereinfachung“ praktiziert hatte – nach dem Motto: „Den Sanders kennt hierzulande ohnehin kaum jemand – und wir wollen unser Publikum ja nicht überfordern ….“
Ein Duell handelt wie ein Mensch ….
Bellut schreibt, er habe mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass ich mit „unserer Berichterstattung nicht zufrieden war“. Das trifft es leider nicht, denn das ZDF hat ja an der Stelle nicht „Bericht erstattet“, sondern mit seiner Fragestellung (durch Politbarometer-Redaktion und Forschungsgruppe Wahlen e.V.) Wirklichkeit ganz konkret selbst erschaffen – „die Deutschen sind sich hier weitgehend einig – 90 Prozent würden Hillary Clinton wählen“. Bellut argumentiert, „dass sich die US-Amerikaner am 8.11.2016 mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ zwischen Clinton und Trump „entscheiden werden müssen“. Das habe ich nie bezweifelt – das Problem aber liegt hier: Der Intendant meint, „somit rückt auch in Deutschland das Duell Trump/Clinton immer mehr in den medialen und öffentlichen Fokus“. Nein, dieses Duell selbst ist kein Akteur, der gleichsam naturgesetzlich diesen Weg ginge. Es sind nicht zuletzt wir Medienmacher, die mediale Realität schaffen – natürlich nicht willkürlich, aber ganz gewiss immer mit Spielräumen. Die ZDF-Mitarbeiter rückten an jener Stelle im Mai ihre einfachste Version des Wahlkampfzwischenstandes in den Fokus. Und blendeten den ziemlich überraschend ziemlich erfolgreichen Sanders leider komplett aus.
Lieber kritische Nutzer als gar keine!
Thomas Bellut bedankt sich aber immerhin höflich „für die kritische Begleitung unserer Sendungen“. Er schreibt abschließend, er freue sich, wenn ich dem Sender „auch weiterhin als interessierter und durchaus kritischer Zuschauer erhalten“ bleibe. Viel mehr darf man bei der aktuellen Verfasstheit der hiesigen öffentlich-rechtlichen Sender vermutlich nicht erwarten als offizielle Reaktion der Leitung auf sachliche Kritik. Ich hoffe und gehe davon aus, dass intern solche Anstöße durchaus differenzierter diskutiert werden. Wichtig wäre es sicher – nicht zuletzt im eigenen Interesse des ZDF.
Junge Leute wenden sich von TV-Nachrichten ab
Denn dass das deutsche Fernsehen im Bereich Nachrichten – laut aktueller Zusammenfassung des Hans-Bredow-Institutes an der Uni Hamburg mit Blick auf den Reuters Institute Digital News Survey 2016 (siehe http://www.xing-news.com/reader/news/articles/322441?link_position=digest&newsletter_id=14060&xng_share_origin=email; Aufruf am 23.6.2016 um 21.30 Uhr) – gerade bei jungen Leuten deutlich verliert, verwundert auch daher kaum. Übrigens ganz im Gegensatz zum bald 75-jährigen Politiker Sanders, der als alter weißer Mann ganz gegen vermeintliche Trends gerade bei jungen und klugen Leuten enorm punktet, nicht nur in den USA.
Die Nachrichtennutzung in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen Deutschen ist laut Bredow-Institut/Reuters im Vergleich zum Vorjahr mit deutlichem Abstand bei keinem Medium so stark zurückgegangen wie beim Fernsehen (-18 Prozentpunkte). Dagegen hielten sich Radio (-7 Prozentpunkte), Printmedien (-8 Prozentpunkte) und Internet (-4 Prozentpunkte) vergleichsweise stabil. Vielleicht sollte auch die ZDF-Leitung kritische Nutzer, die eben nicht nur passive „Zuschauer“ sind, doch mehr auf Augenhöhe ernstnehmen – und sich weniger von einem gewissen Sendungsbewusstsein leiten lassen. Welches (nicht nur mir zumindest) leider immer noch und immer wieder ziemlich elitär und arrogant erscheint.
Herr, gib uns Sprachfertigkeiten!
b) Sprachkritisch durch das Kaleidoskop betrachtet: Am 15.6.2016 um 9.25 Uhr sagte die RBB-Inforadio-Reporterin: „Die Mitarbeiter der Behörde hier konnten dem Ansturm nicht Herr werden.“
Auch das „Herr werden“ ist laut Bastian Sick (http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-wir-gedenken-dem-genitiv-a-344543.html, Aufruf am 15.6.2016, 16.25 Uhr) eine verbale Konstruktion, in der der Genitiv (noch) herrscht, aber immer häufiger vom Dativ bedrängt wird. Als die Stadt Bern drastische Maßnahmen zur Bekämpfung einer Krähenplage beschloss, schrieb eine Hamburger Boulevardzeitung: „Um dem lauten Gekrächze und all dem Dreck Herr zu werden, setzt die Stadt nun rote Laserstrahlen gegen die schwarzen Vögel ein.“ Nicht erst seitdem zerbrechen sich Genitiv-Freunde den Kopf darüber, wie man des Problems hinter dem Herrwerden noch Herr werden kann.