Zwei Seiten der Medaille „Gewalt“

1.) Fußball als Fest? Journalismus oder aber Auftragskommunikation? Während der Übertragung des EM-Spieles England gegen Russland gab es keine Gewaltszenen aus Marseille zu sehen – das Weltsignal der UEFA schloss das aus (vgl. http://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-em-die-uefa-sendet-nur-was-der-uefa-gefaellt-1.3030154; Aufruf am 15.6.2016, 17.32 Uhr). Der ZDF-Reporter Oliver Schmidt wurde daher zum Radio-Journalisten und schilderte die Ausschreitungen auf den Rängen. Und was lehrt uns das? Jeder Medienrealität ist skeptisch zu begegnen, da sie bestenfalls objektivierend ist. Darstellungen zwischen „Gewaltverherrlichung“ und „Gewaltverleugnung“ sollten möglich sein, wenn die Realität gewalthaltig erscheint. Was mich zum nächsten Punkt führt.

Streiks versus Fußball?

Die gegenwärtigen massenhaften, ja massiven Proteste und Streiks in Frankreich (die übrigens weitgehend und millionenfach relativ friedlich abzulaufen scheinen) gegen die seitens der sozialdemokratischen Präsidentschaft und Regierung angeschobenen Veränderungen des Arbeitsrechtes finden in großen deutschen Medien kaum statt. Wenn, dann leider zusammengeschnurrt auf (man ahnt es schon) „Gewalt“ (vgl. http://www.nachdenkseiten.de/?p=33756; Aufruf am 15.6.2016, 17.51 Uhr). Und diese Sichtweise von „Gewaltverherrlichung“ erscheint mir zumindest ähnlich problematisch wie die „Gewaltverleugnung“ seitens der UEFA. Denn dort bei den Streiks geht es um Wirtschaft und Politik, also um in hohem Maße öffentlich-Relevantes. Während Fußball als „wichtigste Nebensache der Welt“ doch privat-relevant sein sollte. Was nicht unwichtig ist.

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2.) Am 13.6.2016 sagte die RBB-Inforadiomoderatorin während eines Interviews mit einem Galleristen: „Neo Rauch ist sicher der best verkaufteste Künstler hierzulande“.
Hoffentlich war das der einzigste Fehler im Text. Der doppelte Superlativ als die optimalste Lösung. Eine besondere Fallgrube dabei ist Bastian Sick zufolge (http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-brutalstmoeglichst-gesteigerter-superlativissimus-a-262334.html, Aufruf am 15.6.2016, 16.40 Uhr) das aus zwei Teilen, nämlich aus Adjektiv und Partizip, gebildete Attribut. Wie herrlich einfach werden da aus „weit reichenden“ Vollmachten erst weitreichendere Vollmachten und schließlich weitreichendste Vollmachten. Die korrekte Steigerung von „weit reichend“ lautet indes „weiter reichend“, „weitest reichend“. Unlängst sei, schreibt Sick, in der „Tagesschau“ zu hören gewesen, der Ärmelkanal wäre eine der „vielbefahrensten“ Seestraßen der Welt, statt „meist befahrenen“.
In Kenntnis dieser Fehlerquelle haben die Schöpfer der viel gescholtenen Rechtschreibreform Sick gemäß beschlossen, dass solche Attribute nicht mehr zusammengeschrieben werden. So wurde „weitreichend“ zu „weit reichend“, „schwerverständlich“ zu „schwer verständlich“ und „gutaussehend“ zu „gut aussehend“. Damit man nicht mehr so leicht in Versuchung gerät, den falschen Teil zu steigern. Die Regel lautet: „Ist der erste Bestandteil ein Adjektiv, das gesteigert oder erweitert werden kann, dann schreibt man getrennt.“
Dies wird manche aber nicht davon abhalten, weiterhin von höchstqualifiziertesten Bewerbern, meistbesuchtesten Messen und bestangezogensten Filmstars zu sprechen. So bejubelte ein Plattenkritiker in der „Süddeutschen Zeitung“ das neue Album eines Rap-Sängers als „eines der schnellstverkauftesten der Popgeschichte“. Oder eben bestverkauftest.

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