Hiebe für die Medienfreiheit?

1.) Stellen wir uns vor, ein deutscher Satiriker hätte den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-Un öffentlich-rechtlich und zugleich (aus dessen Sicht) unflätigst beschimpft und persönlich beleidigt – „Du hast ja gar keine eigenen Atomwaffen und wirst auch nie welche haben“ etc. Der Mann hätte vermutlich nicht gleich per Rakete zurückgeschossen, aber vielleicht auch eine Verbalnote mit dem Ansinnen von Strafverfolgung entsprechend Paragraf 103 und 104 des deutschen Strafgesetzbuches an die Bundesregierung geschickt.
Was wäre passiert? (Und bitte – nein, hier wird NICHT der Diktator aus Pjöngjang mit lupenreinen Demokraten und Freunden aller Menschenrechte in Ankara gleichgesetzt. Die einen zum Beispiel sind in der Nato, der andere nicht). Die Spitzen von Bundespolitik und öffentlich-rechtlichen Apparaten hätten den kleinen Mann (Achtung, Realsatire) aus Asien aber sowas von einfach wegtreten lassen. Dann hätte es in Berlin und Mainz sicher in der Tendenz geheißen, die Grundwerte des Grundgesetzes gälten nicht nur abstrakt und im Allgmeinenen, sondern immer ganz konkret und eben auch in diesem Falle – alles andere sollten ganz einfach die hiesigen Gerichte regeln.
Die Sache läge aber eventuell doch anders, falls absehbar wichtige Flüchtlingsrouten mit Nordkorea zu tun hätten, oder?
Ironisch ließe sich formulieren – 1000 Peitschenhiebe als Strafe für die Sachen, die man NICHT sagen darf, und dann wäre alles wieder gut? Ich fürchte, nein.
Und last but not least – Böhmermann und Erdogan verhalten sich genau so, wie man es von ihnen erwarten durfte. Viel spannender und diskussionswürdiger finde ich das Agieren der Damen und Herren Merkel, Bellut usw.

2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Im RBB-Inforadio ging es am 13.4. um 9.45 Uhr in einem Bericht um die Lage im Irak. Die Journalistin sagte: „Diese Stadt wurde vom IS befreit“ und „Jene Gebiete wurden vom IS zurückerobert.“ Sie meinte damit offenbar (wenn man genau auf den Kontext achtete), dass dort der sogenannte „IS“ jetzt nicht mehr herrsche. Ihre Formulierungen allerdings sind ungewollt mehrdeutig: „IS“ kann hier sowohl strukturelles Objekt als auch Subjekt der Handlungen sein: Der IS befreit als Handlungsträger diese Stadt, erobert jene Gebiete zurück. Oder eben: Irakische Regierungskräfte befreien diese Region im Kampf gegen den IS, erobern sie vom IS zurück. Wie hätte es sich klarer sagen lassen? Zum Beispiel so: „Diese Stadt wurde durch irakische Regierungskräfte vom IS befreit“. Oder auch: „Irakische Regierungskräfte eroberten jene Gebiete vom IS zurück“. Es kann manchmal sehr sinnvoll sein, den Handlungsträger zu nennen, auch wenn das die Formulierung etwas länger macht. Denn laut dem frühen Wittgenstein sollten wir ja so klar wie möglich sagen, was wir sagen können. Der Rest wäre Schweigen.

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