Von Sebastian Köhler
1.) Wie dürfte sich in Deutschland in zehn Jahren die Mediennutzung gestalten? Was geht in diesen Hinsichten (ab) 2024? Der WDR hat in Köln 18 Frauen und 18 Männer tiefenpsychologisch befragen lassen, allerdings als „Verbraucher“ und leider nicht als Nutzerinnen und Nutzer (http://www.wdr-mediagroup.com/download/spezialmodule/dokumente/Studie_Mediennutzung2024_Broschuere.pdf – Aufruf 8.10.2014, 14.44 Uhr).
In hohem Maße angelehnt an die Nutzungsgewohnheiten des Internets werden sich laut der Studie als Metatrend auch bei TV und Radio Anforderungen und Erwartungen in Richtung einer gesteigerten, individuellen (und gemeinschaftlichen, SeK) Kontrolle von unten entwickeln. Leider bleibt dabei, bei solch einer horizontalen Sichtweise, tendenziell außen vor, sowohl bei Forschern als auch bei Nutzern, wie wir „von oben“, also vertikal (durch Konzerne, Geheimdienste etc.) kontrolliert werden können.
Laut Studie geht es vor allem darum, die neue internetgestützte Vielfalt individuell in den Griff zu bekommen und die online-typischen Einwirkungsmöglichkeiten für sich nutzbar zu machen. Dosieren möchte man Ausmaß und Geschwindigkeit der Erneuerung der Mediennutzung, das Ausmaß der Vielfalt, Vernetzung und Komplexität sowie den Grad der Bindung an ein Format.
Über die reine, eher passive Nutzung hinaus betreffe der gesteigerte Kontrollanspruch zum anderen aber auch die Content-Seite der Medien. Inhalte und Angebote, die Kontrollverheißungen beleben, wie bspw. das Gesundheits-Monitoring über das Smartphone oder die Smartwatch, dürften wichtiger werden.
Aufgrund des Dosierungswunsches ist den Forschern zufolge insgesamt mit einer verlangsamten Veränderung der Mediennutzung zu rechnen. Die Nutzer ‚hingen‘ an vertrauten Gewohnheiten, und es bestehe insgesamt wenig Leidensdruck, diese aufzugeben oder in Entwicklung zu bringen.
Je mehr die Vernetzung über das Internet fortschreite, desto mehr würden auch Sehnsüchte nach Offline-Momenten entstehen. Im Sinne von Retro-Wellen werde daher stellenweise bewusst an traditionellen Formen der Mediennutzung festgehalten: Röhrenfernseher, Vinylschallplatte, Teletext, Küchenradio, Nokia 3410 etc. Die Suche nach der ‚richtigen‘ Balance zwischen Online und Offline werde die Menschen in Zukunft noch stärker beschäftigen.
Wenn Medien psychologisch die Funktion einer Gefühlsapotheke erfüllten, die auf die individuelle Gestimmtheit und die persönlichen Bedürfnisse der jeweiligen Rezeptionsverfassungen eingehe, dann werde in Zukunft eine noch fokussiertere ‚Individualtherapie‘ erwartet.
Kuratierte oder besser: zu kuratierende und zu moderierende Vielfalt bietet auch neue Plätze für Journalismus: Den Mediennutzern sei bereits heute mehr oder weniger bewusst, dass die Personalisierung der Medieninhalte in eine selbstzentrierte Isolation zu münden drohe. Ohne jede (redaktionelle) Brechung ‚im eigenen Saft‘ zu schmoren, sei für die Nutzer keine attraktive Vorstellung. Insbesondere im Info-Segment (Nachrichten, Reportagen etc.) suche man nach Absicherungen durch vertrauenswürdige Autoritäten, deren Bewertung und Content-Selektion man sich anvertrauen möchte. Der Ausbreitung des User-Generated-Content sei von daher eine Grenze gesetzt. Journalistische Moderation dürfte von neuem gefragt werden. Redaktionen konkurrierten dann mit Rankings von Suchmaschinen, mit Channels von Popstars, mit internationalen Streaming-Anbietern oder auch mit den ‚Empfehlern‘ in privaten Communitys.
2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Angesichts des Todes von Siegfried Lenz am Dienstag stand die Frage wieder im Raum bzw. im Newsroom: „Gestorben“ oder „verstorben“? Die „Tagesschau“ entschied sich für „gestorben“, ich mich für „verstorben“. Meister Sick (http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-abc-verstorben-gestorben-a-344430.html, Aufruf am 6.10.2014, 13.30 Uhr) lässt beides gelten. „Verstorben“ als gehobenere Variante, ein Hund könnte demzufolge kaum als „verstorben“ gelten, eher als „toter Hund“. Weitere Unterscheidungen: Als Attribut oder als Substantiv nehme mensch z.B. „der verstorbene Großvater“ oder eben „der Verstorbene“. Und wenn es um die Todesursache geht – der Missionar ist an Ebola „gestorben“.