Angie muss nicht heulen

Von Sebastian Köhler

1.)  Hyperlokales im Netz hätte durchaus professionelle Chancen angesichts des Schwächelns des tradierten Print-Lokaljournalismus: Wenn auch einer der bundesweiten Vorreiter, das „Heddesheimblog“ um Hardy Prothmann, derzeit pausiert, bis 1000 Euro monatlich an Nutzer-Abo-Einnahmen drin sind, tut sich in Hamburg-Altona Interessantes: Die dortige Plattform „Altona.Info“ probiert den Einstieg in ein Abo-Modell (http://meedia.de/2014/06/17/hyperlokales-gegen-geld-altona-info-probiert-abo-modell/, Aufruf am 18.6.2014, 13.11 Uhr). Fünf Jahre nach dem Start dieser Lokalnachrichten für den Hamburger Bezirk Altona ruft Gründer und Chefredakteur Christoph Zeuch dazu auf, Nutzerabos abzuschließen. Die Zeitung habe “nachhaltig unter Beweis gestellt, dass wir ein lokaljournalistisches Angebot sind”. Jetzt sollen die Nutzer zeigen, ob sie an Nachhaltigkeit interessiert sind – 69,90 Euro jährlich sollen sie für Neuigkeiten aus ihrer direkten Umgebung bezahlen. Bestellt werden könne aber auch für ein paar Wochen oder weniger, Studenten und Schüler bekämen vergünstigte Tarife. Hinter der Paywall solle aber nicht der gesamte Inhalt verschwinden, verspricht Zeuch. Nachrichten und Meldungen blieben weiterhin frei zugänglich, ebenso wie aktuell relevante Inhalte. Ähnliches Modell wie bei den – gerade mit ihrer Kampagne doch noch knapp erfolgreichen – „Krautreportern“ also, was die freie Zugänglichkeit und den Jahrespreis angeht. Laut dem ALTONA.INFO-Gründer sollen die Nutzer in Zukunft den größeren Teil des Umsatzes generieren, denn das Werbegeschäft im lokalen Markt erweise sich als schwierig. Das neue Finanzierungsmodell verspreche Unabhängigkeit. Die neuen Mittel sollen dann in die Redaktion fließen, um “intensiver in Themen einzusteigen” und einen “investigativen Charakter” herauszuarbeiten. Weiterer Ansporn für seine Abonnenten soll eine Art Mitglieder-Intranet sein, also ein Forum für zahlende Nutzer, in dem sie sich untereinander austauschen, diskutieren und miteinander vernetzen können. Auch hier sind Ähnlichkeiten zum Community-Ansatz der „Krautreporter“ nicht zu übersehen, die allerdings ja zumindest bundesweit, wenn nicht darüber hinaus wahrgenommen, genutzt und abonniert werden wollen. Das hyerlokale Online-Portal ALTONA.INFO erreicht eigenen Aussagen zufolge bis zu 5.000 Unique User (Visits) und zwischen 15.000 und 30.000 Seitenabrufe (Views) pro Tag und schreibt mittlerweile schwarze Zahlen. Ziel sei es, sagt Zeuch, so viel einzunehmen, dass die Plattform als Genossenschaftsmodell laufen könne. Dazu wolle Zeuch bis Ende des Jahres erst einmal rund 100 Abonnements verkauft haben.

 
2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: „Gottlob gibt’s solche Emotionsreporter“ titelte die „Bild“ ihre TV-Kritik in der Bundesausgabe vom 17.6.2014 (Seite 15). Der öffentlich-rechtliche „Reporter“ Gerd Gottlob, der verbal die Live-Übertragung des WM-Spieles der deutschen Fußballer gegen die aus Portugal begleitete, wurde von „Bild“ auf eine Lobes-Stufe mit dem hausinternen Anpreisen des Bild-Video-Kommentators Dirc Seemann gestellt („Wahnsinn …. Heul dooooooch! Ruft er, als Ronaldo sein Gesicht weinerlich verzieht. Haha!“). Und das Lob aus berufenem Munde war verdient: Gottlob galt früher als relativ sachlicher Texter bei solchen Übertragungen. Diesmal waren seine ständigen Zwangs-Kollektivierungen („Wir kontrollieren den Ball sicher“, „Wir haben sehr gut in das Spiel gefunden“ etc.) noch eines der geringeren Übel. Warum aber ein NDR-Sportjournalist völlig ironiefrei sagen muss, da freue sich „Angie“ auch sehr (die Bundeskanzlerin saß auf der Tribüne und wurde immer wieder jubelnd eingeblendet), bleibt vielleicht kein Rätsel, da es den Politik-Stil der CDU-Chefin ähnlich charakterisieren mag wie das Journalismus-Verständnis des Kommentators: Gottlob scheint nicht nur begeisterter Fan des DFB-Teams zu sein (und das auch in seiner – doch eine gewisse Distanz erfordern sollenden – ARD-TV-Rolle jedem auf die Nase binden zu müssen), sondern offenbar ebenso ein gerne laut mitjubelnder Anhänger der Regierungschefin. Kann ja beides sein – hätte aber mit seriösem Journalismus so wenig zu tun wie eben – „Bild“.

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