1.) War es angemessen seitens der Behörden, das Foto der Vierjährigen, die laut BKA Opfer schlimmsten sexuellen Missbrauches war und weiter in großer Gefahr schwebte, als Fahndungshilfe zu veröffentlichen? Es war immerhin der Staatsanwaltschaft zufolge das erste Mal in Deutschland, dass dieser Weg einer Fahndung nach einem Mißbrauchsopfer und nach dem Täter gegangen wurde (siehe unter anderem Hier geht es zur Seite der Berliner Zeitung, Aufruf am 11.10.2017, 18.30 Uhr). Staatsanwaltschaft, Polizei und ein Richter haben damit ein Tabu gebrochen – und viele Medien machten mit. War das angemessen seitens der Redaktionen? Generell lautet ein wichtiger Einwand (zumindest gegen Medien als Co-Fahnder), dass durch solche quotenträchtigen Veröffentlichungen regelmäßig auch Menschen in Verdacht und Verruf geraten, die mit der Straftat gar nichts zu tun haben.
Das Netz vergisst wenig
Das schnelle Ergreifen eines laut Polizei dringend Tatverdächtigen aus dem Umfeld des Kindes scheint Behörden und Medien in diesem aktuellen Einzelfall recht zu geben. Schnell wurde dann auch allseits gebeten, die Fotos des Mädchens nun wieder zu löschen. Aber: Die Bilder sind viral im Netz unterwegs (über das Darknet hinaus) und entwickeln dort ein Eigenleben. Der Aufruf auf der BKA-Seite mit den Fotos war fast 400.000 Mal genutzt worden, bei Facebook sogar rund eine Million mal.
Ich fürchte, nach dem Leiden unter dem Täter wird das Mädchen sein Leben lang weiterhin auch von diesen Bildern verfolgt werden. Datenschutzbeauftragte weisen daher in solchen Lagen darauf hin, dass es auch anders ginge – und meines Erachtens gehen sollte: Die entsprechen Aufnahmen könnten in einem eigenen sogenannten Container auf der Internetseite der Ermittler abgelegt werden. Auf diesen Container mag dann auf allen Plattformen verwiesen werden. Sollen die Aufnahmen schließlich gelöscht werden, wird der Container geschlossen, und die Aufnahmen sollten aus dem Netz verschwinden. Das ist sicher etwas mühsamer (und weniger quotenträchtig) als das einfache Kopieren und Weitergeben, sollte aber den Aufwand wert sein (vgl. u.a. Hier geht es zur Seite der Lausitzer Rundschau, Aufruf am 11.10.2017, 18.40 Uhr).
2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Im oben erwähnten Artikel aus der „Berliner Zeitung“ findet sich auch folgender Absatz: „Es sei das erste Mal gewesen, dass man den Weg einer öffentlichen Fahndung nach einem Missbrauchsopfer gegangen sei. Allerdings gebe es auch regelmäßig Schulfahndungen, bei der gezielt einer bestimmten Gruppe Fotos gezeigt würden. Dies geschehe aber eben nicht öffentlich.“.
In Übereinstimmung (mit den Regeln)
Ein Fallbeispiel des leider zunehmenden Problemes (mit) der Kongruenz, also der Übereinstimmung. Kongruenz (lateinisch congruentia „Übereinstimmung“) meint in der Sprachwissenschaft die Übereinstimmung von Satzteilen in bestimmten grammatischen Merkmalen. Wichtiges Beispiel im Deutschen ist die Übereinstimmung von Subjekt und Verb in den Merkmalen Person und Zahl (Numerus). „Schulfahndungen“ im Hauptsatz ist ein Wort in der Mehrzahl, und dann muss auch der Platzhalter dafür im Nebensatz im Plural stehen: …“bei DENEN (nicht: der) gezielt (…) Fotos gezeigt würden.“