1.) Die Entgrenzungen zwischen Journalismus, PR und direkter Parteipolitik scheinen neue Tiefpunkte zu erreichen: „Kannte Hillary Clinton vor dem TV-Duell mit ihrem parteiinternen Kontrahenten Bernie Sanders etwa die Fragen?“, fragt zum Beispiel „WeltN24“ und fragt leider nicht, inwieweit strukturelle Probleme zu diesem an sich eher lächerlichen Phänomen führten. (https://www.welt.de/politik/ausland/article159180804/Kannte-Hillary-Clinton-vor-TV-Duellen-die-Fragen.html, Aufruf am 1.11.2016, 20.05 Uhr). Als ob ein Politikprofi wie Clinton darauf angewiesen wäre … Aber anscheinend sollte gar nichts schiefgehen.
Ich hätte da mal eine Frage für Sie ….
Die Politikanalystin und damalige CNN-Mitarbeiterin Donna Brazile soll daher Clintons Wahlkampfteam Fragen vorab zugespielt haben. Brazile ließ ihren Job bei CNN später für ihre Wahlkampfarbeit im Clinton-Team ruhen. Nun teilte CNN immerhin die Trennung von Brazile mit.
Die Plattform „Wikileaks“ hatte am Montag vertrauliche E-Mails von Parteistrategen veröffentlicht. Nach Bekanntwerden der neuen gehackten E-Mails trennte sich der Sender CNN umgehend von der prominenten Politikanalystin, die aber zugleich amtierende Parteichefin der „Demokraten“ ist (auch ihre Vorgängerin hatte wegen Vorwürfen der Parteilichkeit zugunsten Clintons zurücktreten müssen.)
Sanders außen vor
In dem Fall geht es um E-Mails, welche die damalige CNN-Mitarbeiterin Brazile an Clintons Wahlkampfchef John Podesta und andere Kampagnenmanager geschrieben hat. Sie nehmen Bezug auf eine bevorstehende TV-Debatte, die von CNN ausgerichtet wurde und wobei sich Clinton und ihr damaliger parteiinterner linker Gegner Bernhard „Bernie“ Sanders gegenüberstanden. Die Mails lassen den Schluss zu, dass Brazile der Kandidatin einen Vorteil gegenüber Sanders verschaffen wollte.
Brazile ist eines der bekanntesten Gesichter aus dem Parteiapparat der US-Demokraten. Seit Juli ist sie kommissarische Parteivorsitzende – seitdem hatte Brazile ihren Vertrag mit CNN ruhen lassen und war nicht mehr als Analystin aufgetreten.
Und wenn es Russen waren?
Die neuen Enthüllungen von Wikileaks sind Teil einer ganzen Serie, die auf interne Mails aus dem gehackten E-Mail-Konto von John Podesta beruhen. US-Geheimdienste ließen verlautbaren, man vermute, dass russische Hacker hinter den Veröffentlichungen stehen. Clinton sagte nicht, dass die Vorwürfe nicht stimmten. Sie sagte nur, sie sehe darin einen Versuch, den Wahlkampf zu ihren Lasten zu beeinflussen.
Ich bleibe dabei – es ist NICHT professionell, in derselben Sache Journalismus UND Auftragskommunikation zu betreiben. Allerdings könnte man auch sagen, das Beispiel belege, dass „der Fisch vom Kopfe her“ stinke. Dass also nicht verwirrte Lokalreporter das Hauptproblem sind, die zum Beispiel auch noch die Autohaus-Eröffnung moderieren, über die sie zugleich „berichten“. Konvergenzen mögen ein wichtiger Trend sein – aber es sollte im Sinne gesellschaftlicher Modernisierung nicht alles (wieder) „eine Soße“ werden.
We are family?
2.) „Die internationale Gemeinschaft hat Afghanistan für die kommenden vier Jahre Finanzhilfen in Höhe von 15,2 Milliarden Dollar zugesagt. Das teilte EU-Entwicklungskommissar Neven Mimica am Mittwoch zum Abschluss des zweitägigen Treffens in Brüssel mit.“ (http://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistan-erhaelt-weiter-15-milliarden-dollar-aufbauhilfe-a-1115358.html, Aufruf am 05.10.2016, 18:36 Uhr). Wer aber ist das, die „internationale Gemeinschaft“? Laut SPON versucht „die internationale Gemeinschaft seit 14 Jahren, die Situation in Afghanistan zu verbessern“.
Bei jener Brüsseler Konferenz waren „Vertreter von mehr als 70 Staaten und 20 internationalen Organisationen zusammengekommen“. Beispielsweise aus Deutschland, den USA und Großbritannien, nicht aber aus Russland und China. Und in der Tat scheint das meist der Fall, wenn hierzulande in wichtigen Medien von „internationaler Gemeinschaft“ oder auch „Staatengemeinschaft“ die Rede ist – gemeint sind wichtige westliche Länder, oft auch die EU- oder auch Nato-Mitglieder oder sonstige „Verbündete“. Da sich aber nicht klar bestimmen lässt, wer warum zu diesem Klub gehört, denke ich, Journalisten sollten hier anders texten („führende Vertreter wichtiger westlicher Länder“ zum Beispiel). Denn jener scheinbar so gemeinschaftliche Sprachgebrauch schließt aus, ohne dass Kriterien dafür transparent oder zumindest explizit würden.