Im Zweifel pro Verdacht – und doppelt zusammenaddiert hält besser

1.) Zur aktuellen Viertel-Stunde: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die journalistische Medienfreiheit bei der sogenannten Verdachtsberichterstattung gestärkt, wie unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters meldete. Der BGH entschied am 18.11.2014 in Karlsruhe, dass das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ keine nachträgliche „Richtigstellung“ zu einem Verdachtsbericht über angebliche Verfehlungen eines früheren Spitzen-Juristen der HSH Nordbank veröffentlichen muss. Da der Verdacht inzwischen ausgeräumt sei, könne vom „Spiegel“ allerdings ein „Nachtrag“ verlangt werden, dass nach Klärung des Sachverhalts der berichtete Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werde, urteilte das Gericht. (Az. VI ZR 76/14).

In dem „Spiegel“-Bericht aus dem Jahr 2010 ging es um den Verdacht, der Ex-Chefjustiziar der HSH Nordbank, Wolfgang Gößmann, habe bei angeblichen Abhörmaßnahmen gegen ein früheres HSH-Vorstandsmitglied mitgewirkt. Gerichtlich ist inzwischen festgestellt, dass dieser Verdacht unberechtigt war. Gößmann hatte daher eine „Richtigstellung“ vom „Spiegel“ gefordert, die das Magazin jedoch ablehnte. Vor dem Oberlandesgericht Hamburg hatte Gößmann Recht bekommen. Dieses Urteil hob der BGH nun auf und erklärte, dass die Verdachtsberichterstattung des „Spiegel“ zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtmäßig gewesen sei. Der Fall wurde an das OLG Hamburg zurückverwiesen.

Ein Presseorgan könne „nicht verpflichtet werden, sich nach einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung selbst ins Unrecht zu setzen“, begründete der 6. Zivilsenat des BGH seine Entscheidung. Ein Betroffener könne bei späterer Ausräumung des Verdachts „nicht die Richtigstellung der ursprünglichen Berichterstattung verlangen“. Dies ergebe die Abwägung zwischen seinem Persönlichkeitsrecht und dem Recht journalistischer Medien auf Meinungsfreiheit.

2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Klar, es gibt Apfelschimmel. Dennoch wird in der Regel nicht von „weißen Schimmeln“ geredet, also möglichst nicht unbewusst tautologisch. Die Bundeskanzlerin scheint das ausnahmsweise nicht „alternativlos“ zu finden, denn sie äußerte in Australien in einer Rede auf dem G20-Gipfel: „Die größte Gefahr ist, dass wir uns auseinanderdividieren lassen“. Das sagte Angela Merkel angesichts unterschiedlicher Meinungen über mögliche Reaktionen westlicher Regierungen auf das Verhalten der russischen Führung in der Ukraine-Krise (vgl. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/angela-merkel-kritisiert-putins-vorgehen-im-ukraine-konflikt-13270007.html, Aufruf am 19.11.2014, 21.48 Uhr). „Auseinanderdividieren“ ist natürlich ein super-wissenschaftlich klingendes Wort, zumal aus dem Munde der promovierten Physikerin. Aber heißt „Dividieren“ nicht schon Zer-Teilen oder Auseinanderlegen? Vielleicht soll ja aus ihrer Sicht gegenüber Putin (ja, sie dürfte weiterhin auch sehr, sehr gut Russisch sprechen) gelten: Doppelt (zusammenaddiert) hält besser.

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