Ätzende Häme?

Zum Beitrag von Ildiko Röd über die Debatten zur Potsdamer Garnisonkirche in der MAZ vom 25.4.2014, S.13:

 Von Sebastian Köhler

Anlass dieser Runde der Berichterstattung über das in Potsdam umstrittene Projekt eines etwaigen Wiederaufbaus der Garnisonkirche war der  Wegfall von 6,3 Millionen Spendengeldern durch den kurz zuvor erklärten Rückzug der „Stiftung Preußisches Kulturerbe“ um den Ex-Bundeswehroberstleutnant Max Klaar. So weit, so klar.

 

Warum aber schreibt die Kollegin schon in der Unterzeile: „Aufbau-Gegner reagieren mit Häme“? „Häme“ ist ein relativ stark wertendes, emotionalisierendes Wort – man denke an „hämisches Grinsen“, „hämische Schadenfreude“ etc. Der Online-Duden nennt als Beispiel „Er ertrug die Häme seiner Mitschüler nicht“, was sich kaum auf berechtigte Kritik dieser Mitschüler am mit Häme Bedachten bezieht. „Häme“ bedeutlich laut Duden Ähnliches wie „Zynismus“ und „Hohn“, also etwas, das der Beobachter schlicht nicht gutheißen kann.

 Ich rate in solchen Sätzen im Sinne der Objektivierung einfach zur Umkehrprobe: Ist es denkbar, der „anderen Seite“ (einer anderen Partei im jeweiligen Konflikt) dieselben Worte zuzusprechen? Ist es wahrscheinlich, dass die Journalistin prominenten Befürwortern des Wiederaufbaus wie z.B. Manfred Stolpe oder Wolfgang Huber „Häme“ attestieren würde (als mögliche Reaktion auf etwaige Misserfolge der Gegner, zum Beispiel, falls das Bürgerbegehren zum Rückzug der Stadt Potsdam aus dem Projekt scheitern sollte)? Wohl kaum – und allein schon deshalb wäre ich mit solchen Worten sehr vorsichtig, zumal in offenbar informationsbetonten Darstellungsformen.  

Leider scheint der Gebrauch von „Häme“ weder Zufall noch Ausrutscher zu sein. Der Linken-Kreischef Sascha Krämer hatte sich geäußert – als Wiederaufbau-Skeptiker relativ sachlich, wie ich finde (das ist natürlich meine Meinung): „Kaum Spenden, kein Geld vorhanden, und nun werden auch noch die auf Eis gelegten 6,3 Millionen Euro von Max Klar gestrichen. Das Projekt Garnisonkirche steht unter keinem guten Stern“. So weit, so klar wiederum – warum er das „geätzt“ haben soll, bleibt unklar: „Ätzen“ ist ein ebenfalls vergleichsweise meinungsbetonter Terminus aus dem Wortfeld „sagen“ – laut Online-Duden ist es salopper Sprachgebrauch in Richtung von „mit beißendem Spott äußern“.

Wiederum mache mensch die „Umkehrprobe“: Würde die Reporterin zum Beispiel Peter Leinemann oder Martin Vogel als Projekt-Angestellte etwas „ätzend“ äußern lassen? Anscheinend nicht – im Artikel äußern die Befürworter folgende Sprechakte: „verzichten“, „erklären“ oder „bedauern“. Für diese Akteure werden also relativ sachliche bzw. sogar eher positiv konnotierende Worte verwendet.   Schade, dass so der Eindruck einer gewissen Parteilichkeit entsteht.

Gut wäre es, die Kirche (journalistischer Fairness) im Dorf (der öffentlichen Debatten) zu lassen. Ob andere Kirchen, Türme oder Schlösser (wieder) sein sollen, darüber mögen am besten und ganz demokratisch all die Menschen entscheiden, die es betrifft. Dazu benötigen sie auch und gerade im Lokalen journalistische Orientierung, die sich in ihren informationsbetonten Bereichen um objektivierende Perspektivenwechsel bemühen sollte. Um es mit einem der Klassiker des bundesdeutschen Journalismus zu sagen, mit HaJo Friedrichs (1927 bis 1995):  Journalisten sollten in alle Richtungen möglichst gleiche Distanz halten, sich dabei insbesondere nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer anscheinend noch so guten.  Ätzende Häme oder hämisches Ätzen sollten da individuelle Glaubensfragen bleiben und nicht tendenziell einseitig den journalistisch-informationsbetonten Stil prägen.

Ein Gedanke zu “Ätzende Häme?

  1. Ich bin ja auch nur zureisend in Potsdam, aber ich denke, da sieht schon irgendwie jeder, der nach Potsdam kommt, dass da diese Kirche im Stadtbild fehlt, die Kirche mit ihrem ach so berühmten Glockenspiel. Potsdam kann das schaffen, hier wieder hübsch zu werden, du hast den gleichen Stadtbildeffekt jetzt in Dresden mit der Frauenkirche, fand ich auch erst eine ganz doofe Idee, aber davon bin ich geheilt. Es ist einfach eine unglaubliche Verschwendung von Aufmerksamkeit in Zeiten wo in Nahost einem alles um die Ohren fliegt, wo Brüssel Schweinerein wie TTIP anstehen, Putin Homosexuelle verfolgt und in der Ukraine einmarschiert oder Asylgesetze verschärft werden die Bestrebungen kirchennaher Kreise zu bekämpfen, ein Gotteshaus zu bauen, finstere brandenburgische Provinz und Nabelschau. Haben die denn gar keine anderen Sorgen und Nöte? Und als Gegner sich als SA verkleiden, also das geht ja wohl gar nicht…