Umschreiben und Großschreiben, Schlagen und Strafen

Von Sebastian Köhler

1.) Am 10.10.2013 sollte die deutsche Ausgabe der „Huffington Post“ starten, in Zusammenarbeit mit Focus Online. Als „Ariannas Maskottchen“ schien Ex-ZDF-Moma-Moderator Cherno Jobatey bereit zu stehen (siehe http://kress.de/mail/tagesdienst/detail/beitrag/123425-ariannas-maskottchen-cherno-jobatey-wird-huffpo-herausgeber.html, Aufruf am 9.10.2013, 20.42 Uhr). Die Autoren auch der deutschen Ausgabe der Online-Zeitung werden für ihre Beiträge kein Geld bekommen. Vielmehr wirbt die HuffPo auch in deutscher Sprache damit, dass die Blogger ihre Reichweite durch prominente Nachbarschaft (in den USA z.B. Kirk Douglas oder Barack Obama als Zugpferde, in Deutschland wohl u.a. Boris Becker oder Ursula von der Leyen) erhöhen können. Stefan Niggemeier (vgl. FAS, 6.10.2013, S.59) erkennt darin eine generelle Tendenz im journalistisch-medialen Bereich: Aufmerksamkeit (als symbolisch generalisiertes Medium im Feld der Öffentlichkeit) ersetzt die Währung/das Zahlungsmittel „Geld“. Ich denke, verwerten ließe sich dann solches neue Kapital nicht unbedingt im Journalismus, aber vielleicht – auf Basis der über die neue Aufmerksamkeit erreichten Bekanntheit – in der Auftragskommunikation (PR, Werbung, Marketing) oder in der Politik. Laut Medienkritiker Niggemeier scheint das HuffPo-Erfolgsmodell des Gratis-Journalismus nicht mehr aufzuhalten. Zwar sollen bei der deutschsprachigen Huffington-Post auch etwa 15 redaktionelle, also bezahlte Stellen entstehen. Doch der Trend solcher Plattformen – in Ergänzung zu digital-automatischen Nachrichten-Aggregatoren wie Google News – geht weg vom tradierten Journalismus (was Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner als „Anti-Geschäftsmodell“ kritisiert und wovon Niggemeier – zu Recht – meint, deshalb sei es noch nicht falsch) hin zur neuen Aufmerksamkeitsökonomie: Der designierte deutsche HuffPo-Chefredakteur Sebastian Matthes (bisher WirtschaftsWoche) sagte im DradioWissen, man wolle Experten direkt mit den Publika kurzschließen (womit journalistische Vermittlungsrollen verzichtbarer würden): Spezialisten wie Wissenschaftlern, Hobby-Köchen, Designern, Architekten oder Sportlern mache die Plattform das Angebot, „ihre Meinung, ihre Ideen“ zu veröffentlichen. Das ganze heißt dann in der Selbstvermarktung „Engagement-Plattform“. Während die Satire-Zeitschrift „Titanic“ 2003 die journalistischen Basisqualifikationen noch als „Quer-Lesen, Ab-Schreiben und Spesen-Rechnen“ gegeißelt hatte, dürfte die Branche jetzt zwei Schritte weiter sein: Niggemeier zufolge geht es beispielsweise bei Focus Online vor allem um „Abschreiben, Umschreiben, Großschreiben“. Was bliebe als nicht-zynischer Ausblick? Zukünfte dürfte Journalismus – in seinen vermittelnden Beiträgen zu sozialer Selbstgestaltung, in seiner Ambivalenz zwischen Ware und Kulturgut – nicht allein auf der Basis von Geschäftsmodellen haben. Seien es alte oder neue.
2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Im Zusammenhang der Syrien-Krise war im September 2013 oft (und gerade nicht als Zitat) die Rede davon, dass die US-Regierung (samt einiger Verbündeter) einen „Militärschlag“ gegen die syrische Führung durchführen wolle, der als „Strafe“ gegen eben dieses Regime zu verstehen sei (z.B. http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-obama-schiebt-militaerschlag-auf-a-921541.html., http://www.welt.de/debatte/article119857443/Syriens-Einlenken-verschafft-den-USA-Zeitgewinn.html, Aufruf am 17.9.2013, 10.18 Uhr). Mir scheinen beide Termini ziemlich einseitig wertend zu sein. Dass die jeweiligen PR-Strategen und -Taktiker sie der Öffentlichkeit anbieten, leuchtet ein. Nicht aber, dass Journalisten, zumal in den informationsbetonten Bereichen der Medien, diese Termini übernehmen, als wären sie so sachlich wie beispielsweise die Wochentagsbezeichnungen.
1.) Ein Schlag ist eine raumzeitlich relativ eng begrenzte Aktion (übrigens findet sich bei Obama selbst auch der Ausdruck „military action“). Ein Schlag trifft in der Regel genau ein bestimmtes Ziel, es dürfte kaum Schäden im Umkreis oder ganz woanders geben. Und das sollte sich sowohl auf den Geschlagenen als auch auf den Schläger beziehen. Zivile Opfer, Opfer auf der eigenen Seite oder bei Verbündeten – keine Rede davon. Würde das aber in der Praxis so kommen? Eine pure Glaubensfrage. Warum also als Journalist nicht relativ sachlich von „Militäreinsatz“ reden (und mensch könnte ja auch „Krieg“ sagen)?
2.) Eine Strafe impliziert dreierlei: a) Es gibt eine zu bestrafende Handlung (hier ging es um den lange Zeit noch sehr mutmaßlichen Einsatz von chemischen Kampfstoffen bei Damaskus am 21.8.) und b) die Verantwortung für dieses strafbare Agieren ist unstrittig klar (und genau darum wurde und wird ja höchst kontrovers gestritten, und zwar nicht zwischen der „Staatengemeinschaft“ und irgendwelchen „Terroristen“, sondern direkt innerhalb der „internationalen Staatengemeinschaft“ – sofern Russland, China, Brasilien, Indien, Südafrika, Iran etc. auch dazugehören sollten). Last but not least ist der Bestrafer c) auch berechtigt, diese Strafe zu verhängen und zu exekutieren. Und spätestens an diesem Punkt dürfte sachlichen Betrachtern deutlich werden, dass „Strafe“ in jenem Kontext nur als Zitat verwendet werden sollte. Denn mensch muss kein Jurist sein, um den völkerrechtlichen „Sprengstoff“ von Militäreinsätzen – Schlägen oder Kriegen – ohne UN-Mandat erkennen zu können.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.