Von Sebastian Köhler
1.) Was ist der Unterschied zwischen Ausspähen und Bespitzeln? Ersteres machen wohl die Guten, letzteres die Bösen. Die einen sind Kundschafter (des Friedens, der Demokratie oder der Menschenrechte zum Beispiel), die anderen bestenfalls Spione. Aber was ist Edward Snowden? Ein ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter (oder doch eher dortiger Freelancer, weil das preiswerter schien?), ein IT-Experte, ein Whistleblower, ein Enthüller, ein Hinweisgeber, ein Held, ein „in den USA Gesuchter“ (sic!) oder aber ein Verräter? Der mediale Mainstream-Umgang mit den Termini lässt in seinen Wechselfällen ahnen, welche mächtigen Interessen da wirken und nicht nur Präsidentenmaschinen scheinbar im luftleeren Raum zu umstrittenen Zwischenlandungen zwingen. Der Mann jedenfalls, der die Diskussionen über mutmaßlich gigantische Überwachungspraktiken zumindest anglo-amerikanischer Geheimdienste ins Rollen brachte, hatte auch in Deutschland Aufnahme beantragt. Vielleicht naiv oder zumindest rhetorisch gemeint, denn die Rechtslage für Enthüller hierzulande ist alles andere als günstig. Das Netzwerk Campact weist darauf hin, dass die Bundesregierung noch immer keine umfassende Regelung zum Schutz von Whistleblowern vorgelegt hat – obwohl sie sich laut dem Antikorruptions-Aktionsplan der G20-Staaten bis Ende 2012 dazu verpflichtet hatte (https://support.campact.de/forums/22266417-Snowden-und-Whistleblowerschutz, Aufruf am 3.7.2013, 21.33 Uhr). Und der Sprecher der Journalistengewerkschaft DJV, Hendrik Zörner, unterstreicht (explizit mit Blick auf Snowden), dass Spionage ist auch in Deutschland eine strafbare Handlung ist. Die entsprechenden Gesetze gegen Whistleblower haben laut Zörner Vorrang auch vor einer höchst interessanten und jüngst verabschiedeten Resolution des Europarates, in der es wörtlich heißt: „Informanten, die staatliche Verfehlungen im öffentlichen Interesse aufdecken, sollen vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden, sofern sie in guter Absicht handeln.“ Womit wir wieder bei der einfachen und doch so schweren Frage landen, was gut und was böse ist (vgl.http://www.djv.de/?id=3431&tx_ttnews[tt_news]=1619&L=1&cHash=6816deb643653064255cc98fd79c7575, Aufruf am 3.7.2013, 21.08 Uhr). Wie anders aber als in prinzipiell offenen, öffentlich-demokratischen Kommunikationen und im entsprechenden (Probe-)Handeln wollen wir Menschen genau das, nämlich die Zwecke und Mittel sozialen Verkehrs (samt Etikettierungen wie „gut“ und „böse“) herausfinden? Es sollte niemanden geben, der ein Monopol worauf auch immer hätte.
2.) Auch mein Kaleidoskop kommt diesmal nicht an der Berichterstattung über Edward Snowden vorbei. Die seriösesten Radio-Nachrichten hierzulande werden nicht zu Unrecht im “Deutschlandfunk” (DLF) vermutet. Am 30.6. um 19 Uhr war darin aber von der “vermeintlichen Spionage-Affäre durch US-Geheimdienste” die Rede. Vielleicht gibt es ja neben den hier offenbar gemeinten auch noch vermeintliche (also nur scheinbare) Affären dieser Art, aber der Skandal, von dem wir seit den Enthüllungen Edward Snowdens etwas ahnen mögen, ist sicher kein “vermeintlicher”, sondern am ehesten – für das Nachrichtendeutsch – ein “mutmaßlicher” (weil noch nicht juristisch wasserdicht nachgewiesener). Denn auch der Duden (http://www.duden.de/rechtschreibung/vermeintlich (Aufruf am 1.7.2013, 15.05 Uhr) gibt hier als Beispiel an: “der vermeintliche Gangster entpuppte sich als harmloser Tourist”. Das wird mensch auch beim Deutschlandfunk von der NSA-Problematik dieser Tage aber nicht ernsthaft behaupten wollen. Also nur vermeintlich seriöse Nachrichten im DLF? Eher ein Beispiel für die Dialektik der Motto-Kombination von Karl und Jenny Marx: “An allem ist zu zweifeln – aber verzweifle nie!”