Den vollen Namen, das ganze Bild?

1.) Aktuelle Medienkritik: Im RBB-Inforadio wurde der Ex-Krankenpfleger am Dienstag, 30.10., weiterhin „Niels H.“ genannt, viele andere Medien sprechen dagegen seit langem von „Niels Högel“, der NDR hatte beide Varianten am Start, wenn es um den „größten Mordprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte“ geht. (https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Der-mordende-Krankenpfleger-alles-zum-Prozess,hoegel170.html (Aufruf am 30.10.2018, 21.42 Uhr). Details über Verdächtige oder Angeklagte journalistisch zu erwähnen, bedeutet immer eine Abwägung zwischen Medienfreiheit, öffentlichem Interesse und Persönlichkeitsrecht (https://blog.zeit.de/nsu-prozess-blog/2013/09/05/beate-zschaepe-medien-namen-abkuerzen/ Aufruf 301.10.2018, 21.44 Uhr). Denn Entscheidungen der Staatsgewalten sollen einerseits öffentlich nachvollziehbar sein. Deshalb sind ja zu Gerichtsverhandlungen grundsätzlich Besucher zugelassen (Ausnahmen gibt es, etwa im Jugendstrafrecht). Nun ist die Öffentlichkeit eines Gerichtssaals sehr begrenzt, die Rechte der Angeklagten oder Verurteilten bleiben in dem engen Rahmen gewahrt. Erst durch journalistische und andere Medien erlangt ein Prozess jene Breitenwirkung, die den Schutz Betroffener erfordert. Deshalb haben sich Journalisten und Verleger eigene Regeln gegeben: Im Pressekodex heißt es (https://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/#panel-ziffer_8__schutz_der_persoenlichkeit_, Aufruf 30.10.2018, 13.52 Uhr), dass Verdächtige oder Täter nicht identifizierbar dargestellt werden sollen, um den Betroffenen eine spätere Resozialisierung so leicht wie möglich zu machen. In Richtlinie 8.1 des Pressekodex heißt es zur „Kriminalberichterstattung“, die Presse veröffentliche dabei Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, nur dann, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiege. Für ein überwiegendes öffentliches Interesse spreche in der Regel, wenn zum Beispiel eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat vorliege. Davon kann im Fall des Ex-Krankenpflegers sicher ausgegangen werden. Bestimmte Umstände also können es rechtfertigen, den vollen Namen von Angeklagten zu nennen und Bilder zu zeigen.

Medien wie Bild und n-tv zeigen auch wiedererkennbare Gesichts-Bilder des Ex-Krankenpflegers, was fragwürdig bleibt, da das Gericht in diesem Falle darauf bestand, den Angeklagten unkenntlich erscheinen zu lassen. Viele Medien gehen offenbar davon aus, dass Niels H. mindestens zur sogenannten relativen Person der Zeitgeschichte wurde. Das öffentliche Interesse überwiegt bei solchen Personen das Schutzbedürfnis der Betroffenen und auch deren Recht am eigenen Bild.

2.) zu meinem sprachkritischen Kaleidoskop: Im RBB-Inforadio hieß es in den Nachrichten am 27.10.2018 um 11.20 Uhr: „Der Außenminister Saudi-Arabiens sagte, der Prozess fände in Saudi-Arabien statt“. Das ist eine – sicher unfreiwillige – Vermischung von Information und Kommentar. In den Nachrichten sollte es heißen: „Der Minister sagte, der Prozess FINDE in Saudi-Arabien statt.“ Der Konjunktiv II mag hingegen in meinungsbetonten Darstellungsformen genutzt werden, um Distanz zum Gesagten zu vermitteln: Ich weiß es anders, ich glaube es nicht, ich mache mich darüber lustig: „Der Minster versprach hoch und heilig, der Prozess fände natürlich und streng rechtsstaatlich in Saudi-Arabien statt“. Ais ob das so schwer wäre! Pardon: ist!

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