1.) Viele wichtige Medien hatten dieser Tage einen Aspekt ganz oben auf ihrer Agenda im Zusammenhang des jüngsten Merkel-Besuches bei Trump: So fragte die extra mitgereiste ARD-Hörfunkkorrespondentin Angela Ulrich am 27.4.2018 um 10.10 Uhr im RBB-Inforadio vor Ort In Washington: „Wird Trump Merkel auch vor laufenden Kameras die Hand schütteln?“
Ganz ähnlich hatte zuvor bereits die FAZ online gefragt:
(siehe http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/merkel-besucht-trump-weisses-haus-bestaetigt-reise-der-kanzlerin-15528487.html, Aufruf am 1.5.2018, 19.20 Uhr).
Superwichtig!!!! Das ist unter anderem laut Pierre Bourdieu jener typisch oberflächliche Journalismus, der sich dringend ändern sollte. Für solche Mitteilungen auf dem Niveau von „Stimmt die Chemie zwischen den beiden Promis?“ braucht es kaum Recherche oder Nachdenken. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu (1930-2002) hatte in mehreren journalismuskritischen Arbeiten, erschienen in deutscher Sprache im Sammelband „Gegenfeuer“ 2004 im UVK-Verlag Konstanz, geschrieben, dass viele Journalisten nicht zuletzt im politischen Bereich darauf achteten, „dass es eher zu einer Konfrontation zwischen Personen (besonders Politikern) als zwischen ihren Argumenten kommt, auf Kosten dessen, was eigentlich Gegenstand der Debatte ist – das Haushaltsdefizit, die Steuersenkung oder die Auslandsverschuldung. Da das Wissen dieser Journalisten über die politische Welt im Wesentlichen auf persönlichen Kontakten und vertraulichen Mitteilungen beruht (oder sogar auf Klatsch und Gerüchten) und weniger auf der Objektivität einer Beobachtung oder fundierten Recherche, neigen sie dazu, alles auf eine Ebene zu ziehen, auf der sie die Experten sind“.
Offenbar typische Phänomene dieser Art hat Bourdieu bereits in den 1990er-Jahren sehr treffend beschrieben und analysiert, lange vor dem Aufkommen der aktuellen Skepsis bis hin zur Ablehnung gegenüber zentralen Erscheinungen des etablierten Journalismus. Also – man hätte es auch hier längst besser wissen und machen können. Aber andererseits, was grundlegende Veränderungen im Journalismus angeht: Besser spät als nie (sich zum Beispiel mal mit Bourdieus Argumenten beschäftigen).
2.) Und noch zwei Prisen Sprachkritik: Die Deutsche Welle meldete auf ihrer Webseite:
(http://www.dw.com/de/puigdemont-bittet-spanische-regierung-um-r%C3%BCckkehr/a-41919594, Aufruf am 1.5.2018, 19.10 Uhr).
Das ist – als ein Bezugsfehler – zumindest missverständlich: Puigdemont hat ganz sicher NICHT die spanische Regierung darum gebeten, dass diese, wohin auch immer, zurückkehre. Sondern er hat sie offenbar darum gebeten, dass er nach Barcelona zurückkehren könne. Das ist ein Unterschied so ziemlich ums Ganze, und auch daher sollten Journalisten hier besonders sorgfältig arbeiten.
Nicht falsch, aber doch problematisch finde ich den Sprachgebrauch „Separatist“, weil der Ausdruck für mein Verständnis im Deutschen ziemlich klar negativ besetzt ist. Siehe die Bezeichnung „Pro-russische Separatisten“ für bestimmte Gruppen von Menschen in der Ost-Ukraine. Warum sagt man nicht, sachlicher, „Unabhängigkeitsbefürworter“ oder Ähnliches? Ist etwas länger, wirkt aber (auf mich) deutlich objektivierender als der zumal mehrmalige Gebrauch des klangvollen Fremdwortes „Separatist“.