Von Sebastian Köhler
1.) Echtzeit-Schnipsel von Reportern – die größte deutsche Nachrichtenagentur dpa scheint mit einigen bisherigen Agentur-Tabus brechen zu wollen (:http://kress.de/mail/alle/detail/beitrag/124204-echtzeit-schnipsel-von-reportern-dpa-live-bricht-mit-agentur-tabus.html., Aufruf am 4.12.2013, 21.17 Uhr). Denn die Deutsche Presse-Agentur bietet ihren Kunden künftig regelmäßig Liveticker an. Text- und Fotoreporter sollen bei größeren Ereignissen parallel zu ihrer normalen Berichterstattung in Echtzeit bloggen, wie dpa-Politikchef Martin Bialecki beim Mainzer Mediendisput 2013 in Berlin sagte. Die Agentur nennt den Service „dpa live“, vor allem auf Websites von Regionalzeitungen dürfte er bald öfter zu sehen sein. In einigen Punkten kratzt die dpa mit ihrem neuen Live-Angebot an Tabus. Das Unterhaltsame, Privat-Relevante soll hier mit harten, öffentlich-relevanten Fakten vermischt werden. Die Abfolge eines Livetickers widerspricht der alten Schule der Nachrichtenagenturen: das Wichtige wird im Ticker nicht zuerst genannt, sondern immer das gerade Neueste; auch fehlt die Trennung zwischen relevanten und irrelevanten Beobachtungen weitgehend, denn ein Ticker will zuerst einmal gefüllt werden. Ein weiterer Schritt in Richtung „Gemischtwaren-Laden“?
2.) Das sprachkritische Kaleidoskop führt in dieser Woche zum Wort „Oppositionsführer“. In vielen deutschen Medien werden mittlerweile Formulierungen verwendet wie vom „Hamburger Abendblatt“: „Behörden schikanieren Oppositionsführer Vitali Klitschko“ (http://www.abendblatt.de/politik/article122478590/Behoerden-schikanieren-Oppositionsfuehrer-Vitali-Klitschko.html, Aufruf am 4.12.2013, 20.24 Uhr). Was aber bedeutet „Oppositionsführer“? In Großbritannien ist dieser Titel eine Institution, dort wie auch in Deutschland wird der Chef der größten Oppositionsfraktion so genannt. In der Ukraine gebührt solche Bezeichnung dem Fraktionschef der Partei „Vaterland“ (Julia Timoschenko), Arsenij Jazenjuk, dessen Fraktion im Kiewer Parlament über 101 Sitze verfügt. Nur auf 40 Mandate hingegen bringt es Vitali Klitschkos Partei „Udar“ (Schlag), die aktiv von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt wird (http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1306144/Wahlen-in-der-Ukraine_Klitschkos-schwierigster-Kampf, Aufruf am 4.12.2013). Wenn schon im Deutschen von „Führer“ oder eben „Oppositionsführer“ gesprochen werden muss, dann doch bitte nicht ganz so „opportunistisch“ – also (bildungssprachlich laut Duden) nicht in allzu bereitwilliger Anpassung an die jeweilige Lage aus Nützlichkeitserwägungen .(http://www.duden.de/rechtschreibung/Opportunismus). Denn unter demokratischem Aspekt ist die sprachliche Frage nicht uninteressant: Wird der Oppositionsführer gewählt, oder wird er ernannt – von sich selbst bzw. von (deutschen) Medien? Zumal ja, Gruß zurück ans Hamburger Abendblatt, die Familie Klitschko ebendort in der Elbmetropole lebt.