Garnisonkirche im Grünen Licht der Sympathie – Journalismus auf PR-Linie

OFFENER BRIEF

Sehr geehrte Damen und Herren von der Lokalredaktion Potsdam der Märkischen Allgemeinen Zeitung,,

so, wie Frau Röd nicht nur in ihrem Kommentar, sondern leider auch in ihrem nebenstehenden ausführlichen Beitrag „Grünes LIcht für Garnisonkirche“ (MAZ vom 31.7.2013,S.13) keinen Hehl daraus macht, dass sie diesem Projekt sehr zugeneigt ist, möchte ich keinen Hehl daraus machen, dass ich (wie offenbar viele Potsdamer, siehe jüngster Bürgerhaushalt) zu den Kritikern dieses Vorhabens zähle.

An dem „Aufmacher“ auf Ihrer Lokal-Seite finde ich als Journalist und Publizistikwissenschaftler mindestens zwei Aspekte sehr fragwürdig:

Der Anfang des Textes lautet: „Es ist vollbracht. Mehrere Monate hat das Warten gedauert, aber nun ist sie endlich da – die Baugenehmigung für den Turm der Garnisonkirche an der Breiten Straße.“ Könnte ein PR-Text von Fördergesellschaft oder Kirchenstiftung noch euphorischer, noch einseitiger, noch beschönigender beginnen? Leider kaum!

Ebenso wenig professionell wirkt es auf mich, dass im gesamten, langen Text etliche Personen mit Zitaten vertreten sind und als Befürworter und Förderer der Garnisonkirche zum Teil sogar mehrfach zu Wort kommen – aber leider kein einziger der vielen durchaus bekannten Kritikerinnen und Kritiker des doch zumindest sehr umstrittenenen Wiederaufbaus.

Drei Stichworte mögen als konstruktive Kritik genügen:

1.) Die gigantischen und weiter wachsenden Finanz-Skandale bei immer teureren Großprojekten wie Stuttgart 21, Elbphilharmonie und Flughafen BER sollten nicht mit dem Stolpe-Zitat „Ich habe noch kein Großprojekt erlebt, wo sich das Geld von Anfang an gestapelt hätte“ auf die leichte Schulter genommen werden dürfen. Hierbei scheint es um systematisch a-soziale Finanzarchitekturen zu gehen – Motto: Nutzen privatsieren, Kosten vergesellschaften.

2.) Dass noch immer kaum Spender-Geld vorhanden ist, mit dem doch erklärtermaßen praktisch ausschließlich gebaut werden soll, lässt den nächsten Skandal mehr als ahnen: Es werden mit öffentlichen Mitteln Fakten geschaffen (Straßenverengung zugunsten des Projektes etc.), und dann wird auch dieses Projekt zur – sicher unter großen öffentlichen Opfern zu Ende zu bringenden – „selbsterfüllenden Prophezeihung“.

3.) WENN das Geld in Stadt, Land und Bund „übrig'“ wäre, ließe sich womöglich über eine weitere Musealisierung Potsdams diskutieren. Aber es fehlt in vielen Kitas, Schulen, Sporthallen, Freizeiteinrichtungen, überhaupt im sozialen Bereich oft am Grundlegendsten gerade in der ja eigentlich so reichen und prosperierenden Landeshauptstadt. Da sollte der Lokaljournalismus seinen öffentlichen Aufgaben wie allseitige (nicht: einseitige) Information, Beitragen zur Meinungsbildung, Artikulation möglichst aller gesellschaftlich-relevanten Strömungen und natürlich Kritik und Kontrolle gerade gegenüber den Reichen und Einfluss-Reichen doch besser nachkommen.

Meine ich und verbleibe mit kollegialen Grüßen: Sebastian Köhler

10 Gedanken zu “Garnisonkirche im Grünen Licht der Sympathie – Journalismus auf PR-Linie

  1. Ode des Danks an Mittel Schön, Günther Jauch, Wolfgang Joopi, Jann Jacobs und Barbara Kuster.

    Danke an Euch. Ihr habt mehr funktionierende Gebäude und Stadtraum platt gemacht als Walter Ulbricht, wenn wir die britische Bombardierung außen vorlassen lassen.

    Wenn es um die Sprengung der Reste des Deutschen Militarismus durch Ulbricht in Potsdam geht könnt Ihr stolz sagen wir haben mehr Geschichte in der Stadt vernichtetet als die DDR.

    Euer ideologische Umbau zu einer feudalen Stadt kann ich nur begrüßen. Man muss sich nur vorstellen wie viel Geld hier verbaut und wurde. 400 Millionen Euro. Gelder die wo anderes eingespart werden müssen, auch beim Erhalt originaler Bausubstanz. Der Umbau zu der kleinen Garnisonstadt welche Potsdam fürder war, geprägt von Adel und Militär geht nun mal vor. Dem Adel und Militär welche an entscheidenden Stellen in mehreren Kriegen deutsche Interessen vertrat.

    Euren Manipulationen ist die folgende Abrissliste zu verdanken.

    – Ernst-Thälmann-Stadion
    – Rechenzentrum
    – Feuerwache
    – Theater am Alten Markt
    – Mercure
    – Fachhochschule
    – Brunnen am Alten Markt
    – Brunnen am Brauhausberg
    – Speicherstadt
    – Sportkaufhaus
    – Haus des Reisens
    – Gasstädte Kahleberg
    – Gasstädte Charlottenhof
    – Minsk
    – Staudenhof
    – Treffpunkt Freizeit

    Bei einigen seit ihr noch bei dabei.

    Schade nur das der Neue Landtag / Stadtschloss so scheußlich und wenig original geworden ist. Nicht mal die Fassade des Stadtschlosses ist nur halbwegs original.

    Danke insbesondere an den Berliner Verein Potsdamer Stadtschloss.

    Danke auch Barbara Kuster für ihren unermüdlichen Einsatz gegen die Mehrheit der Potsdamer und deren Vertreter im Stadtparlament, da Sie aber auch leider verantwortlich sind für die scheußliche Fassade des neuen Stadtschlosses sind, sollten Sie mal über einen Rücktritt bei der Mittel Schön Truppe in Erwagung ziehen.

    Grüße aus der Hauptstadt der kleinen DDR
    Luftpost

  2. Steffen Königer „Schlösser statt Bildung“ ist mein Motto. Ihres bestimmt doch auch? Würden die Rabenmütter sich um ihre Kinder kümmern dann brauchen wir auch keine Kindergärten.

    Klar würde ein Flughafen Geld und Jobs bringen und nicht nur Kosten verursachen wie die Garnisonkirche. Den Preußischen Könige wäre so was egal, Mir ist dies auch egal. Ich muss nicht durch Potsdam somit sind mir Staus egal und für die Kosten werden die Potsdamer noch in 40 Jahren abbezahlen. Aber dafür bekommen die Potsdamer noch ein weiteres Schloss.

    Man kann nur hoffen das die Garnisonkirche nicht so ein architektonischer Schlamassel wird wie das Stadtschloss. Das neue Stadtschloss ist mit den ganzen Abweichung allein an der Fassade schon ein einziges architektonisches Desaster. Barbara Kuster und Mitte Schön sollten sich endlich öffentlich zu diesem Desaster am Alten Markt äußern und nicht weiter tot schweigen.

    Steffen Königer Frauenkirche mit der Garnisonkirche zu vergleichen ist nicht richtig. Die Garnisonkirche wird nicht original. Zudem halte ich für nicht angebracht Potsdam mit Dresden zu vergleichen. Was sich Dresden mit dem Verlust des UNESCO Welterbe Status geleistet hat, hat dem Ansehen Deutschlands in der ganzen Welt geschadet.

    Grüße aus der Hauptstadt der kleinen DDR
    Luftpost

  3. @Holga Presch
    Ich mag das Wort Disneyland in diesem Zusammenhang nicht !
    Walt Disney würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüßte, wozu sein Name missbraucht wird…
    @MSpringer
    Neben der PNN hast Du noch jemand vergessen, der anscheinend noch extremer ist….
    Das Stadtfernsehen von Potsdam – wie auch immer es jetzt heißen mag – halte ich sogar für noch schlimmer !!!

  4. Die Kommentare sind schon ausgewogen ,allerdings tendiere ich dazu,Potsdam nicht weiter in Barbara Kuster- Manie ein weiteres Puzzle zum Disneyland des 18.Jahrhundert beizutragen !

  5. Eine treffende Analyse des Artikels von Frau Ildiko Röd. Danke Herr Köhler. Es ist nicht die erste Entgleisung von Frau Ildiko Röd. Schlimmer als die MAZ ist nur noch die PNN. Da die MAZ solch einseitigen Berichte zulässt, habe ich Abo gekündigt und Werbeblocker im Browser für MAZ Seiten installiert. Die Zensur im Forum der MAZ ist ebenfalls bedenklich.

  6. Ja es stimmt. Die Potsdamer Presse berichtet einseitig und undemokratisch. Was kann man da machen? Sie steht im Falle der Garnisionskirche der gleichgeschalteten DDR Presse in nichts nach und unterwirft sich den Interessen weniger Einflußreicher. Diese wollen sich ein Denkmal setzen und ein selbstbeweihräucherndes Gebäude mit einem 88 Meter hohen Turm bauen. Was soll das? Niemand hat etwas gegen einen angemessenen Kirchenneubau oder gegen ein Versöhnungszentrum. Doch Kirche und Versöhnungszentrum werden missbraucht und dienen hier lediglich zur Legitimierung für den Bau eines zweifelhaften Machtsymboles. Wo ist hier die innerkirchliche Friedensbewegung?

    In diesem Sinne
    Schwerter zu Flugscharen

  7. Auch ich bin bestürzt, wie einseitig die Presse über die Garnisonkirche beichtet wird. Ich ahne auch, dass hier Steuergelder zum Aufbau ausgegeben wird. Das werden wir aber erst erfahren, wenn das Ding gebaut ist und Wahrheit ans Licht kommt.
    Bei unserem Projekt „FliederGaren“ war nie Geld da (siehe Webseite). Auch hier berichtete die Presse nur was gewissen Leuten der Stadt gefiel, oder auch nicht.

  8. …also ich persönlich würde lieber für Millionen eine Kirche bauen, als weitere Milliarden im Flughafen zu versenken. Und die ewige Mär von dem „man sollte das Geld besser in Kindergärten investieren“ kann ich schon gleich gar nicht mehr hören – zunächst sollten da nämlich mal mehr Kinder sein!

    Wenn die Dresdner auch so gedacht hätten, gäbe es keine Frauenkirche. Und wenn Hasso Plattner nicht eingegriffen hätte, stünde dort ein häßlicher Glas-Beton-Kasten.

    DAS kann Friedrich Zwo kaum gemeint haben mit dem „Platz für neues“…

    • Von „Investieren in Kindergärten“ würde ich nie reden, weil es ja gerade nicht darum gehen soll, alles im Leben als „Investment“ zu betrachten. Und vielleicht sind ja in den Kindergärten auch deswegen (zu) wenige Kinder, weil Kirchgang und Beten allein nicht reichen, um aus einer reichen Gesellschaft auch eine relativ kinderfreundliche und damit eben demokratisch-sozial-ökologische zu machen. Und zu hoffen, dass Mäzene wie Plattner, Jauch, Joop, Witwe Springer oder Döpfner-Dieckmann usw. die Welt oder zumindest Potsdam retten (sollen), halte ich, mit Verlaub, auch eher für Kinder-Glauben. Vor allem ist das, wie auch die Anbetung von Herrschaften wie Friedrich II, doch bestenfalls vor-demokratisch. Oder?

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