Fußball als Kriegs- und Denkersatz

Blog vom 20.6.2012:
1.) Der ZDF-Fernsehratsvorsitzende Ruprecht Polenz (CDU) hat sich mit einem formalen Zwischenbescheid schon mal gemeldet. Ich hatte an ihn sowie die anderen Verantwortlichen des ZDF eine Beschwerde gesandt, hier das Wichtigste daraus:
„Sehr geehrter Herr Bellut als Intendant, sehr geehrter Herr Dr. Frey als Chefredakteur, sehr geehrter Herr Polenz als Vorsitzender des Fernsehrates, sehr geehrter Herr Beck als Vorsitzender des Verwaltungsrates,
ich möchte mich bei Ihnen nach meiner Beschwerde via Ihr offizielles Beschwerdeformular auch auf diesem Wege als kritischer ZDF-Nutzer beschweren angesichts des Werbespots der Firma Media Markt („Deutscher Fan erschlägt jemanden, der niederländisch aussieht“). Ich sehe zumindest den § 8 der ZDF-Programmgrundsätze verletzt, zum Thema:
„Unzulässige Sendungen, Jugendschutz“:
(1) Sendungen sind unzulässig, wenn sie
1. zum Rassenhass aufstacheln oder grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt (§ 131 StGB).
Meine Beschwerde bezieht sich auf die TV-Werbung von Media Markttt, die das ZDF zur besten und jugendoffenen Sendezeit zeigte vor der Live-Übertragung des Spieles Niederlande gegen Deutschland am 13.6. 2012 gegen 19.45 Uhr zeigte (Quelle bei YouTube: http://www.youtube.com/watch?v=BPstVggf6Fo)
Es kann und darf nicht sein, dass damit geworben wird, dass ein Deutscher jemanden mit dem Hammer buchstäblich plattmacht, weil dieser Mensch aussieht wie ein Fan der Niederländer.
Das ist ein extrem zum gewaltsamen Rassismus aufrufender Spot.
Bitte verhindern Sie so etwas künftig! Mit dem Zweiten sollte man besser sehen! – Oder hieße das hier: „Wir sind doch nicht blöd!“ (und machen eben die Anderen einfach platt).“
Hoffen wir, dass nun nicht womöglich Gyros aus Menschen und Fußballern gemacht wird, wie es im ARD-Morgenmagazin am 19.6. im Berichts-O-Ton aus einer deutschen Fanmeile im Westen des Landes schon wieder sch(-w)allte.

2.) Im Blog auf der Seite der Brandenburgischen Zentrale für politische Bildung läuft eine Debatte über wie Verwendung der deutschen Ortsnamen für viele polnische oder ukrainische Städte im Kontext der Fussball-EM (http://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/die-extreme-rechte/blog/was-mir-aufgefallen-ist#comment-653, Aufruf am 20.6.2012, 21.08 Uhr). Ich sehe viele gute Gründe, gerade die Städte in Tschechien, der Slowakei, in Polen, der Ukraine oder in Belarus sowie in Russland namentlich in ihrer Landessprache zu erwähnen, mit Ausnahme der Hauptstädte (weil deren Namen in deutscher Sprache sicherlich historisch auch unabhängig von der Nazi-Zeit so gewachsen sind).
Wir sagen nicht „Neu York“ oder „Die Engel“ zu bestimmten Städten in den USA. Okay, da waren die Deutschen ja auch (noch) nicht, mag man da einwenden. Doch genau dort dürfte der Kern des Problems liegen – und man muss kein polnischer Nationalist (wie z.B. die Kaczynski-Brüder) sein, um sehr aufmerksam auf das wabernde deutsche Un- oder Unter- oder Überbewusstsein zu reagieren. Der Satz: „Da denkt sich doch keiner was dabei, Danzig zu sagen“, ist kein Argument – Sprechen und Denken sollten zusammenhängen. Und in ukrainischen Stadien kurz nach der eigenen Führung lauthals minutenlang „Sieg … Sieg … Sieg“ zu brüllen, macht die „Truppen“ da draußen auch nicht sympathischer.
3.) Laut Berliner Zeitung vom 7.4.2012, S.10, meldete AFP, dass bei Eiern aus zwei Betrieben in NRW „zulässige Dioxin-Grenzwerte“ überschritten worden seien. Was die Frage aufwirft, ob es auch „unzulässige Dioxin-Grenzwerte“ gibt? „Grenzwert“ scheint doch die Trennscheide zu sein – auf der einen Seite des Grenzwertes sind die Werte noch zulässig, auf der anderen nicht mehr, und dann fragt sich die Reflexion wie beim Ausball im Sport, ob die Grenze selber noch zum Feld zählt, das sie begrenzen soll. Aber das würde kaum das offenbar besinnungslose Schreiben über „zulässige Grenzwerte“ erklären – oder wir reden eben tautologisch über weiße Schimmel bzw. oberflächliche Journalisten.

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